Zugversuche an O-Ringen – warum und wie?

Halbschalen zur reproduzierbaren Prüfung kleiner O-Ring-Durchmesser (Sonderanfertigung) (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

30.10.2019 Zugversuche an O-Ringen – warum und wie?

Die Wahrheit liegt im Fertigteil

von Ulrich Blobner (OPR Group GmbH), Dipl.-Ing. Bernhard Richter (OPR Group GmbH)

Viele Anwender von O-Ringen sind der Meinung, dass die Werkstoffkenndaten, die bei der Erstbemusterung an Prüfplatten ermittelt wurden, auch für die einzelnen Dichtungen gelten. Dies ist jedoch leider in den meisten Fällen nicht so. Reale Dichtungen weisen aus den unterschiedlichsten Gründen schlechtere Kennwerte auf, als die unter Idealbedingungen im Labor an Prüfplatten ermittelten. Damit dieser Umstand in der Praxis zu keinen Dichtungsausfällen führt, ist die Prüfung der tatsächlichen mechanischen Kennwerte an ringförmigen Dichtungen eine gute Absicherung und gibt einen guten Einblick in die werkstoffliche Realität.

Die Zugprüfung an O-Ringen wird in erster Linie aus Gründen der Qualitätssicherung durchgeführt. Die Zugprüfung gibt Informationen über die Rezepturqualität (Auswertung der Absolutwerte, Festigkeit des Werkstoffes, Feststellung von Rezepturänderungen). So ist z.B. ein Austauschen des Polymers von Mischungen mit unterschiedlichem Molekulargewicht und/oder einer anderen Molekulargewichtsverteilung (z.B. hochviskose Pressmischung durch niedrigviskose Spritzmischung) nicht über Infrarotspektroskopie (IR) nachweisbar, sondern allenfalls über den Zugversuch und möglicherweise auch über Langzeit-Druckverformungsrestprüfungen. Ferner gibt der Zugversuch Auskunft über nachträgliche Änderungen gegenüber dem Bemusterungszustand. Dies ist oft der einfachste Weg, bei Reklamationen mögliche Veränderungen gegenüber dem Erstbemusterungszustand aufzudecken und nachzuweisen. Außerdem bekommt man mithilfe der Standardabweichung (z.B. verfrühtes Reißen durch Bindenähte, Einrisse, Kerben, Vernetzungsgrad usw.) Aussagen über die Verarbeitungsqualität.

Durch diese vielfältigen Ergebnisse sichert ein Zugversuch an O-Ringen bzw. Fertigteilen die Qualität wesentlich besser ab, als wenn nur die Rezepturqualität an Schulterstäben ermittelt wird. Außerdem werden mit dem Zugversuch an O-Ringen auch praktische Anwendungen abgesichert. Dies kann bei besonders stark physikalisch beanspruchten Bauteilen (z.B. durch Montageaufweitung >100%), bei Abrieb oder Spaltextrusion sehr hilfreich sein.

Lösungspartner

OPR Group GmbH

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung