30.11.2018 Schäden erkennen und vermeiden
Autoxidation
Dichtungen werden aus den verschiedensten Gründen in der Praxis geschädigt. Neben dem Erkennen der Schadensursache werden dann mögliche Abhilfemaßnahmen wichtig – für die Instandhaltung, aber auch bei der Erstausrüstung von Anlagen mit Dichtungen.
Bei der Autoxidation handelt es sich um eine selbstständige Aufnahme von Sauerstoff durch elastomere Dichtungen. Bereits kleine Mengen von Sauerstoff haben eine schädliche Wirkung auf Elastomere, was besonders leicht an der starken Abnahme der Zugfestigkeit und Reißdehnung erkennbar ist. Der Mechanismus der Oxidation, also der Zerstörung des Elastomernetzwerkes, wird i.d.R. durch Radikale begonnen, die sich, z.B. durch hohe Temperaturen, mechanische Belastung, Strahlung und sonstige Ursachen, bilden können. Bei der Autoxidation kann es sowohl zu einer Verhärtung durch eine engmaschigere Nach- bzw. Neuvernetzung (Zyklisierung) als auch zu einer Erweichung durch Kettenspaltung kommen. Die Autoxidation ist eng mit den Kautschukgiften verbunden. Es handelt sich dabei um Schwermetallverbindungen, die als Katalysator für den an sich relativ langsamen Hydroperoxidzerfall wirken. Damit kann eine komplette Depolymerisation im typischen Temperatureinsatzbereich eines Elastomers in wenigen Monaten stattfinden. Bereits kleinste Mengen von Kupfer und Mangan beschleunigen, u.a. bei Elastomeren aus NR und IR, die Autoxidation sehr stark und zerstören den Werkstoff. Die meisten synthetischen Kautschuke werden weniger angegriffen. Weitere Kautschukgifte sind zweiwertige Eisensalze, Kobalt und Nickel. Diese sind jedoch nicht so schädlich wie Kupfer und Mangan. Kautschukgifte können entweder durch die natürliche Umgebung (z.B. manganbelastete Böden in Gummiplantagen), durch Mischungsbestandteile oder durch die Dichtungsanwendung in den Compound gelangen. Heute ist die Autoxidation ein Phänomen, das hauptsächlich bei peroxidisch vernetzten Heißwasserdichtungen aus EPDM auftritt. Dieses Schadensbild tritt nur lokal auf, da hierfür eine bestimmte Wasserqualität nötig ist, die eine Entzinkung der Messingarmaturen herbeiführt, bei welcher das Kupfer der Legierung als schwammige Masse ausgeschieden wird. Bestimmte EPDM- Rezepturen und entzinkungsstabiles Messing können diesen Schaden vermeiden.
Schadensbild und problematische Bereiche: Durch Autoxidation ausgelöste Schäden haben oft ein vielfältiges Erscheinungsbild. Elastomere Werkstoffe können durch diesen Mechanismus erweichen, rissig (Bild 1), klebrig oder glänzend werden. Die glänzenden Bereiche erinnern häufig an einen aufgeschmolzenen Thermoplast (Bild 2, 3). Diese Ausprägungen können an ein und derselben Dichtung in verschiedenen Bereichen auftreten. In extremen Fällen kann es zur vollständigen Depolymerisation der Dichtung kommen, also einer Zersetzung bis hin zum Ruß.Autoxidative Schäden im Bereich von Heißwasseranwendungen führen zu Undichtigkeiten und Leckagen.
Abgrenzung zu ähnlichen Schadensbildern: Durch den chemischen Angriff starker Reinigungsmittel (mit Chlor) werden bei bestimmten Elastomeren rußende Oberflächen verursacht. Dies kann einer autoxidativen Alterung ähneln.
Präventionsmaßnahmen: Bei der Herstellung von Compounds und in der Dichtungsanwendung ist der Kontakt mit kritischen Schwermetallen zu vermeiden. Lässt er sich nicht gänzlich ausschließen, müssen spezielle Werkstoffe (z.B. dr-Messing) und gegen Autoxidation stabilere Gummirezepturen eingesetzt werden.
Praxistipps (Prüfmöglichkeiten/Normempfehlungen): Da es keine nationale bzw. internationale Norm zur Überpüfung der Beständigkeit gegenüber Kautschukgiften gibt, wurde im O-Ring Prüflabor Richter eine laborinterne Prüfanweisung entwickelt. Diese befasst sich nur mit dem Element Kupfer, da die Kupferverträglichkeit von EPDM in Heißwasseranwendungen im Bereich der Autoxidation momentan die häufigste Fragestellung für Dichtungsanwender ist.
Zur Langversion des Beitrages