Schäden erkennen und vermeiden

Spiralriss an einem O-Ring (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

09.03.2020 Schäden erkennen und vermeiden

Spiralrisse an O-Ringen

von Dipl.-Ing. Bernhard Richter (OPR Group GmbH), Ulrich Blobner (OPR Group GmbH)

Dichtungen werden aus den verschiedensten Gründen in der Praxis geschädigt. Neben dem Erkennen der Schadensursache werden dann mögliche Abhilfemaßnahmen wichtig – für die Instandhaltung, aber auch bereits bei der Erstausrüstung von Anlagen mit Dichtungen.

Werden O-Ringe wiederkehrend bzw. zy­k­lisch in sich verdreht, also leicht verdrillt, können sie dadurch spiralförmige Markierungen oder Einschnitte bzw. Risse bekommen (Bild 1). Spiralrisse kommen hauptsächlich in dynamischen Anwendungen vor. Sie entstehen, wenn es bei Kolbenbewegungen zu stark unterschiedlichen Drehwinkeln/Verdrillungen – über den Umfang des O-Ringes verteilt – kommt. Damit es zu so wenigen Rollbewegungen des O-Rings wie möglich kommt, sollte Folgendes berücksichtigt werden:

  • Durch die richtige Wahl der O-Ring Abmessung, der Verpressung, der installierten Innendurchmesseraufweitung des O-Rings und der Oberflächengüte der Einbauräume kann die Gefahr von Spiralrissen bereits deutlich reduziert werden. Eine besondere Bedeutung kommt dem Durchmesserspiel und der damit verbundenen Exzentrizität zu. Wird ein O-Ring unterschiedlich über seinen Umfang verpresst, kommt es bei Hubbewegungen eines Kolbens in Bereichen mit geringerer Verpressung zu einem Gleiten, während es in Bereichen mit höherer Verpressung zu einem Abrollen des
    O-Rings kommt. Die dabei entstehenden Torsionsspannungen können bis zum Durchriss führen (Bild 2).
  • Fehlende oder nur teilweise vorhandene Schmierung kann dies ebenfalls ver­ursachen.
  • In kritischen Anwendungen empfehlen sich steifere Dichtungswerkstoffe mit einem hohem Torsions- und Weiterreißwiderstand. Auch in statischen Anwendungen können Spiralrisse auftreten, sind aber eher selten.

Schadensbild und problematische Bereiche: Im seltenen ausgeprägten Endstadium (Bild 1) ist dieses Schadensbild meist schon von einem Laien zu erkennen. Die Risse verlaufen in einem Winkel von ca. 45° und pflanzen sich spiralförmig umlaufend über die Oberfläche des O-Rings fort. In den meisten anderen Fällen (z.B. Anfangsstadium, Bild 3) ist mehr Expertise und Erfahrung notwendig.

Abgrenzung zu ähnlichen Schadensbildern: Spiralrisse können auf den ersten Blick Rissen ähneln, die durch Vulkanisationsfehler entstanden sind. Letztere weisen aber eher
einen parabelförmigen Rissverlauf auf, der symmetrisch zur Formtrennebene ist und meist nur an einer Stelle des O-Rings zu finden ist.

Ozonrisse sind auch spannungsinduzierte Risse, verlaufen aber an O-Ringen in der Regel radial, d. h. in einem Winkel von 90° zur Umfangstangente.

Risse durch Überhitzung sind nicht so regelmäßig und nicht in einem 45°-Winkel wie
Spiralrisse angeordnet.

Präventionsmaßnahmen: Sowohl bei O-Ringen als auch beim Einbauraum sollten große Exzentrizität und Unrundheit vermieden werden. Ebenso hilfreich ist eine Verbesserung der Oberflächengüten, der Schmierverhältnisse, eine Reduktion der O-Ring-Verpressung, eine Verringerung des Durchmesserspiels und/oder die Verwendung von härteren, torsionssteiferen O-Ring-Werkstoffen.

Spiralrisse können auch durch den Einsatz von verdrillungsresistenten Dichtungsgeometrien (z.B. R-, X-, D- oder T-Ringe) verhindert werden.

Praxistipps (Prüfmöglichkeiten/Normempfehlungen): Im informativen Anhang der ISO 3601-2 (Tab. B.1 und B.2) [1] werden in Abhängigkeit des Innendurchmessers Schnurstärken für die O-Ring-Auslegung empfohlen. Größere Schnurstärken als empfohlen können das Risiko von Spiralrissen weiter reduzieren. Bei einer hohen Anzahl zyklischer Kurzhubbewegungen (> 105) werden Rechteckringe empfohlen, die sich hier millionenfach bewährt haben.

Literatur:
[1] Vgl. ISO 3601-2: Fluid power systems – O-rings –Part 2: Housing dimensions for general applications, Ausgabe 2016-07

Zur Langversion des Beitrages
Bild 1: Spiralriss an einem O-Ring im fortgeschrittenen Stadium (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 1: Spiralriss an einem O-Ring im fortgeschrittenen Stadium (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 2: Bruchfläche eines durch Spiralrisse ausgefallenen O-Rings. Gut erkennbar ist die erfolgte Torsionsbeanspruchung des Querschnittes  (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 2: Bruchfläche eines durch Spiralrisse ausgefallenen O-Rings. Gut erkennbar ist die erfolgte Torsionsbeanspruchung des Querschnittes (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 3: O-Ring mit leichten spiralförmigen Markierungen, siehe Pfeil (= Anfangsstadium eines Spiralrisses) (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 3: O-Ring mit leichten spiralförmigen Markierungen, siehe Pfeil (= Anfangsstadium eines Spiralrisses) (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Lösungspartner

OPR Group GmbH

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung