Schäden erkennen und vermeiden

Deutlich erkennbarer Dieseleffekt an einer dynamisch eingesetzten PUR-Dichtung (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

29.11.2019 Schäden erkennen und vermeiden

„Mikroskopische“ explosive Dekompression

von Dipl.-Ing. Bernhard Richter (OPR Group GmbH), Ulrich Blobner (OPR Group GmbH)

Dichtungen werden aus den verschiedensten Gründen in der Praxis geschädigt. Neben dem Erkennen der Schadensursache werden dann mögliche Abhilfemaßnahmen wichtig – für die Instandhaltung, aber auch bereits bei der Erstausrüstung von Anlagen mit Dichtungen.

Luft ist in Druckflüssigkeiten i.d.R. molekular gelöst. Frische Hydrauliköle enthalten ca. 9 Vol.- % Luft [1]. In der gelösten Form ist Luft relativ unproblematisch. Schwierigkeiten treten erst auf, wenn es zu plötzlichen und  größeren Druckänderungen kommt. Bei Druckabnahme wird die gelöste Luft in Blasenform ausgeschieden und verbleibt in der Druckflüssigkeit. Ausgeschiedene Luft verändert spürbar die Eigenschaften der Druckflüssigkeit. Weitere Ursachen für die Einlösung von Luft können eine schlechte Entlüftung beim Befüllen sein oder das Ansaugen von Luft durch die Ölpumpe.

Bei der „mikroskopischen“ explosiven Dekompression ist das problematische Gas in der Dichtung eingeschlossen. Es kommt zwar nur in geringsten Mengen vor, aber bei plötzlicher Druckentlastung kann die – in den Gummi eingedrungene – Luft nicht schnell genug entweichen und die äußeren Bereiche der Dichtung werden besonders geschädigt (Abplatzungen). Dies ist der häufigste durch Luft verursachte Schadensmechanismus an Dichtungen.

Beim Dieseleffekt werden Luftblasen im Öl durch plötzlichen sehr hohen Druck komprimiert. So kommt es zu kleinen lokalen Selbstentzündungen des Luft-/Dampfgemisches in den Blasen, ähnlich wie in einem Dieselmotor. Die hohen Temperaturen und die Explosionskräfte führen zu mitunter gravierenden Verbrennungen an der Dichtung und zu Verformungen an Metallen.

Bei der Luftblasenerosion können komprimierte Luftbläschen durch Kolbenbewegung in den Dichtspalt geraten. Gelingt es ihnen, die druckabgewandte Seite zu erreichen, expandiert die komprimierte Luft sehr schnell, was mit einer hohen Energiefreisetzung verbunden ist, die auf Dichtungen und Metallkolben Riefen verursacht.

Schadensbild und problematische Bereiche: Typisch für die „mikroskopische“ explosive Dekompression sind Ausbrüche an der Dichtungsoberfläche und kleinere Risse in den Randbereichen, die sich bis zur Oberfläche fortpflanzen (Bild 1). Der Dieseleffekt verursacht eindeutig erkennbare Verbrennungen (Bild 2). Bei der Luftblasenerosion (Bild 3) gelangen komprimierte Bläschen durch den Dichtspalt. Durch die hohe Energie der Bläschen und der axialen Bewegungsrichtung entstehen parallele Riefen.

Abgrenzung zu ähnlichen Schadensbildern: Die Schädigung durch expandierende Luft (explosive Dekompression) kann mit dem Schadensbild der Spaltextrusion verwechselt werden. Erosionsschäden können nicht nur durch Luft, sondern auch durch harte Druckstöße und einer daraus resultierenden Überströmung (Blow-by) verursacht werden.

Präventionsmaßnahmen: Die wichtigste Präventionsmaßnahme besteht darin, die Luftkonzentration im Öl so gering wie möglich zu halten. Bei der Wartung von Anlagen sollten generell nie verschiedene Öle miteinander gemischt werden, da die unterschiedlichen Zusammensetzungen und Additivpakete das Luftabscheidevermögen negativ beeinflussen können. Öle mit hohem Luftabscheidevermögen (LAV) sind zu bevorzugen und das Öl sollte im Betrieb möglichst sauber gehalten und regelmäßig gewechselt werden.

Praxistipps (Prüfmöglichkeiten/Normempfehlungen): Bei diesen größtenteils auf physikalischen Effekten beruhenden Schadensmechanismen gibt es von werkstofflicher Seite wenige Stellschrauben, da in komprimierten Luftblasen Temperaturspitzen zwischen
200 °C bis 1.000 °C auftreten, denen Polymere nicht mehr gewachsen sind.

Langversion des Beitrages
Bild 1: Durch Luft geschädigter O-Ring infolge explosiver Dekompression  (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 1: Durch Luft geschädigter O-Ring infolge explosiver Dekompression (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 2: Deutlich erkennbarer Dieseleffekt an einer dynamisch eingesetzten PUR-Dichtung  (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 2: Deutlich erkennbarer Dieseleffekt an einer dynamisch eingesetzten PUR-Dichtung (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 3: Erosionsschäden (parallele Riefen in Axialrichtung) an einem O-Ring  (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 3: Erosionsschäden (parallele Riefen in Axialrichtung) an einem O-Ring (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Lösungspartner

OPR Group GmbH

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung