10.09.2020 Richtig kleben will gelernt sein – Teil 7
Nachweisführung
Kleben funktioniert, wenn man es richtig macht. Und „richtig machen“ bedeutet, alle relevanten Aspekte ganzheitlich zu berücksichtigen. Der Gliederung des Leitfadens „Kleben – aber richtig“ des IVK e.V. folgend, wird jeweils ein Aspekt der Klebtechnik (Bild 1) in den Mittelpunkt gestellt und unter drei Schwerpunkten beleuchtet – diesmal die „Nachweisführung“.
Der Nachweis darüber, dass eine Klebung auch die Funktionen erfüllt, die gemäß des Anforderungsprofils (siehe Teil 2 dieser Serie) festgeschrieben wurden, ist gerade für sicherheitsrelevante Klebungen von besonderer Bedeutung.
Welche Probleme entstehen in der Praxis, wenn der Nachweis nicht fachgerecht erfolgt?
Gemäß Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) ist die Markteinführung von Produkten nur dann zulässig: „ [...] wenn sie bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährden“. Der Hersteller ist, gerade bei sicherheitsrelevanten Bauteilen, verpflichtet, nicht nur nach den „anerkannten Regeln der Technik“ zu arbeiten, sondern darüber hinaus nach dem „Stand der Technik“. Für sicherheitsrelevante Klebungen ist demzufolge nachzuweisen, dass im Gebrauch des geklebten Produktes über dessen gesamte Produktlebenszeit die maximale Beanspruchbarkeit immer größer als ihre reale Beanspruchung ist. Flapsiger ausgedrückt: Die Klebung muss bis zum Schluss „in Wirklichkeit immer mehr“ halten als eigentlich notwendig. Eine fachgerechte Nachweisführung besteht darin, dass der Produkthersteller genau nachweist, dass alle an die jeweilige Klebung gestellten Anforderungen, wie sie im Anforderungsprofil festgelegt worden sind, über den gesamten Produktlebenszyklus auch erfüllt werden.
Wie vermeidet der Anwender Probleme bei der Nachweisführung am besten?
Hinsichtlich der Auslegung einer Klebung auf Basis des zuvor erstellten Anforderungsprofils steht, insbesondere bei sicherheitsrelevanten Klebungen, die Kennwertermittlung im Vordergrund. Dafür ist sowohl eine Beanspruchungs- als auch eine Beanspruchbarkeitsanalyse durchzuführen. Beide führen zu Bemessungswerten, die dann miteinander verglichen werden müssen. Ist das letztliche Vergleichsresultat: reale Beanspruchung < maximale Beanspruchbarkeit, ist alles in Ordnung. Andernfalls muss nachoptimiert werden (Bild 2). Wichtig für die Kennwertermittlung ist, dass auf jeden Fall so fertigungsnah wie möglich gearbeitet wird, d.h. mit Original-Fügeteilwerkstoffen, mit der vorgesehenen Oberflächenbehandlung, dem ausgewählten Klebstoff, dessen Verfestigung unter den festgelegten Bedingungen etc. Eine Übertragung z.B. von Werten aus anderen Versuchen mit anderen Werkstoffen, anderen Oberflächen, anderen Fertigungsrandbedingungen etc. ist schlichtweg nicht möglich. Genauso wichtig ist, dass nachgewiesen wird, dass die in der Produktentwicklung häufig unter Laborbedingungen ermittelten Kennwerte mit den in der Fertigung ermittelten Werten abgeglichen wurden.
Über welches Know-how sollten die am Klebprozess Beteiligten hinsichtlich der Nachweisführung verfügen?
Das notwendige Know-how ist vielschichtig. Zur Nachweisführung gehört natürlich, dass – und ggf. wie – die geplante Klebung mit ihren fertigungstechnischen Besonderheiten, inkl. aller dazugehörenden Arbeitsschritte, in die jeweilige Fertigung integriert werden kann. Weiterhin ist ebenfalls zu bedenken, wie die Fertigung zu gestalten ist, d.h., die Qualität der jeweiligen Klebungen auf dem gewünschten hohen Niveau reproduzierbar ausgeführt werden kann. Qualitätsschwankungen, deren Analysen häufig schwierig und teuer sind, sind auf jeden Fall zu vermeiden. Um das zu erreichen, braucht der Klebstoff-Anwender folglich für den gesamten Klebprozess ein umfangreiches Verständnis. Ein probates Mittel des Nachweises der Reproduzierbarkeit sind „fertigungsbegleitende Arbeitsproben“. Sie dienen dazu, die erforderliche Qualität und Gleichmäßigkeit des Fertigungsprozesses mit geeigneten Methoden nach festgelegten Kriterien nachzuweisen, und stellen für den Klebbetrieb die Möglichkeit dar, die Substratwerkstoffe und Oberflächen, den Klebstoff, die Klebprozesse und die Klebverbindung zu prüfen.
„Der schönste Laborwert nutzt nichts, wenn er nicht unter Fertigungsbedingungen erreicht wird.“ Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM