10.03.2020 Richtig kleben will gelernt sein – Teil 5

Klebstoffauswahl

von Professor Dr. Andreas Groß (Fraunhofer IFAM)

Kleben funktioniert, wenn man es richtig macht. Und „richtig machen“ bedeutet, alle relevanten Aspekte ganzheitlich zu berücksichtigen. Der Gliederung des Leitfadens „Kleben – aber richtig“ des IVK e.V. folgend, wird jeweils ein Aspekt der Klebtechnik (Bild 1) in den Mittelpunkt gestellt und unter drei Schwerpunkten beleuchtet – diesmal die „Klebstoffauswahl“.

Wenn man berücksichtigt, dass allein in Deutschland weit über 30.000 verschiedene Klebstoffprodukte am Markt sind, wird deutlich, wie komplex die Auswahl des geeignetsten Klebstoffs für eine Klebverbindung werden kann. Denn: Einen „Alleskleber“ gibt es genauso wenig, wie es eine „Universalschraube“ gibt!

Welche Probleme entstehen in der Praxis, wenn die Klebstoffauswahl nicht fachgerecht erfolgt?
Als Basis der Klebstoffauswahl (Bild 2) dient das zuvor erstellte Anforderungsprofil (Lastenheft) – siehe Teil 2 dieser Kolumne – der geplanten Klebung. Dieses wird nun für eine Klebstoffvorauswahl dahingehend erweitert, als dass die mechanischen Lasten (statisch, dynamisch, Crash), die thermischen Belastungen (Extremwerte, schnelle Wechsel), die chemischen Beanspruchungen, inkl. Feuchtigkeit, sowie die mögliche Strahlungsbelastung (z.B. UV) so sorgfältig und vollständig wie möglich ermittelt werden. Darüber hinaus sind auch Informationen über die zu verbindenden Fügeteile (mechanische Eigenschaften, Wärmeausdehnungskoeffizient, Toleranzen, Strahlungsdurchlässigkeit, Oberflächenzustand etc.) festzuhalten. Gleiches gilt für die Produktionsbedingungen, wie z.B. Auftragspositionierung und -art, Taktzeit, Umgebungsbedingungen und Klebstoffverfestigungsrandbedingungen. Auch die für den Klebstoff geforderten bzw. gewünschten Eigenschaften, wie z.B. Zusatzfunktionen, 1K/2K, Zulassungen (z.B. Lebensmittelkontakt, Brandschutz), Fließeigenschaften, Überlackierbarkeit, Farbe/Geruch, sind zu ermitteln. Weiterhin sind für eine fachgerechte Klebstoffauswahl Informationen über die Langzeitbeständigkeit der Klebung, gesetzliche Vorgaben, Qualitätsanforderungen, Wirtschaftlichkeit/Verfügbarkeit sowie Kosten notwendig. Und dann ist zu klären, welche Vorgaben es hinsichtlich des Arbeits- und Umweltschutzes gibt. Probleme in der Praxis entstehen zwangsläufig, wenn einer der genannten Punkte nicht (genügend) berücksichtigt oder einfach „vergessen“ wird.

Wie vermeidet der Anwender Probleme bei der Klebstoffauswahl am besten?
Wie schon in Teil 2 dieser Kolumne herausgestellt, ist die Kommunikation zwischen allen Beteiligten wichtig und zudem ein guter Weg, Probleme und etwaige spätere Fehler bei der Klebstoffauswahl zu vermeiden. Gleiches gilt für die schon mehrfach erwähnte „ganzheitliche Betrachtung“ des jeweiligen Klebprozesses.

Über welches Know-how sollten die am Klebprozess Beteiligten hinsichtlich der Klebstoffauswahl verfügen? 
Spätestens bei der Klebstoffauswahl ist ein profundes klebtechnisches Know-how zwingend erforderlich. Man benötigt einen Überblick über die am Markt erhältlichen, unterschiedlichen Klebstoffklassen mit ihren grundsätzlichen Eigenschaften. Nur so können die für den jeweiligen Anwendungsfall nicht geeigneten Klebstoffklassen ausgeschlossen und der Blick kann auf die möglicherweise auszuwählenden Klebstoffe gerichtet werden. Mit letzteren muss dann auf Basis des umfassenden Anforderungsprofils ggf. ein Testprogramm durchgeführt werden, das die ermittelten Beanspruchungen realistisch abbildet. Mit dessen Ergebnissen können dann die ein bis zwei für den jeweiligen Anwendungsfall geeignetsten Klebstoffprodukte letztendlich bestimmt werden.

Bild 2: Kriterien der Klebstoffauswahl  (Bild: Fraunhofer IFAM)

Bild 2: Kriterien der Klebstoffauswahl (Bild: Fraunhofer IFAM)

Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM
Bei der Klebstoffauswahl nicht ganzheitlich alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, führt schnell zu falschen Ergebnissen. Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM