Richtig kleben will gelernt sein – Teil 12

(Bild: Fraunhofer IFAM)

08.11.2021 Richtig kleben will gelernt sein – Teil 12

DIN 2304/Kernelement 2: Einsetzung von Klebaufsichtspersonal – KAP

von Professor Dr. Andreas Groß (Fraunhofer IFAM)

Kleben funktioniert, wenn man es richtig macht. Und „richtig machen“ bedeutet, alle relevanten Aspekte ganzheitlich zu berücksichtigen. In Fortführung des Leitfadens „Kleben – aber richtig“ des IVK e.V. geht dieser Teil auf das erste Kernelement der DIN 2304, die „Klassifizierung der Klebungen nach Sicherheitsanforderungen“ ein.

Wie für die DIN 2304 (allgemeine Industrie) gelten die folgenden Erläuterungen genauso für die anderen QS-Standards (DIN 6701 und prEN 17460 (Schienenfahrzeugbau)) sowie für die ISO/DIS 21368 (allgemeine Industrie). Diese Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf die DIN 2304, gelten aber auch grundsätzlich für die anderen genannten Normen.

Welche Probleme entstehen in der Praxis, wenn die Einsetzung von Klebaufsichtspersonal – KAP, z.B. nach DIN 2304 nicht fachgerecht erfolgt? Die fachgerechte Umsetzung klebtechnischer Prozesse hängt entscheidend von der klebtechnischen Qualifikation aller Beteiligten ab. Mit der z.T. immer noch verbreiteten Denkweise „Schweißen muss gelernt sein, aber Kleben kann doch jeder!“, macht die Norm ein für alle Mal Schluss! Natürlich kostet Personalqualifikation Geld – ohne Zweifel. Personalqualifikation ist betriebswirtschaftlich betrachtet aber längst kein bei nächster Gelegenheit unbedingt einzusparender Kostenfaktor, sondern eine strategische und daher eben nicht einzusparende Investition in die Zukunft. Die DIN 2304 definiert für die Klebtechnik, wo welches wie zu qualifizierende Klebpersonal einzusetzen ist – aber genauso auch, wo dies nicht notwendig ist.

Wie vermeidet der Anwender Probleme mit der Einsetzung von Klebaufsichtspersonal – KAP, z.B. nach DIN 2304, am besten? Nach Norm sind drei Kompetenz- oder Qualifikationslevel vorgesehen:

  • Level 1 – umfassend (Entscheider-Ebene, z.B. DVS®/EWF-Klebfachingenieur/in)
  • Level 2 – spezifisch (Überwachungs- und Anleitungsebene, z.B. DVS®/EWF-Klebfachkraft)
  • Level 3 – grundlegend (Ausführungsebene, (z.B. DVS®/EWF-Klebpraktiker/in) In Abhängigkeit von der jeweiligen Sicherheitsklasse und vom jeweiligen Arbeitsumfang ist gemäß DIN 2304 das nachzuweisende Qualifikationslevel für das Klebpersonal festzulegen.

Über welches Know-how sollten die am Klebprozess Beteiligten hinsichtlich der Einsetzung von Klebaufsichtspersonal – KAP, z.B. nach DIN 2304, verfügen? Umfassende technologische Kompetenzen (Level 1) schließen die Fähigkeit ein, das gesamte Spektrum klebtechnischer Arbeiten, d.h. von der Produktentwicklung über die Produktion bis hin zu Wartungs- und Reparaturaktivitäten, verantwortlich zu betreuen. Dafür erfordern diese umfassenden Klebkompetenzen interdisziplinäres Denken, verantwortliches Entscheiden und Handeln sowie die Fähigkeit, den gesamten Produktlebenszyklus verantwortlich zu überwachen und zu berücksichtigen. Zu den spezifischen technologischen Kompetenzen in der Klebtechnik (Level 2) gehört die Fähigkeit, Arbeitsanweisungen zu erstellen und Personal der ausführenden Ebene (Klebpraktiker) und andere Klebtechnik-Mitarbeiter in theoretischen und praktischen Fragen der Klebtechnik zu beaufsichtigen. Dazu gehört die Fähigkeit, Klebprozesse zu planen, zu organisieren und zu überwachen, Prozessparameter zu kontrollieren und ggf. anzupassen, genauso wie die Kompetenz, Unregelmäßigkeiten in Produktions-, Wartungs- und Reparaturprozessen zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Grundlegende Klebkompetenzen (Level 3) beinhalten ein grundlegendes Verständnis dieser Technologie, sodass die Besonderheiten der Klebprozesse verstanden und in der Produktion, Wartung und Instandhaltung berücksichtigt werden können. Vorgegebene Arbeitsanweisungen werden, statt sie stumpf „abzuarbeiten“, verstanden, d.h. dem/der Ausführenden ist bewusst, warum er/sie was tut, und er/sie kann sie in den jeweils aktuellen Arbeitskontext korrekt einordnen. Sie befähigen die Mitarbeiter/innen, selbstständig und fachlich kompetent Klebarbeiten durchzuführen und bei Unregelmäßigkeiten Rückmeldung zu geben. Erst diese hierarchieübergreifenden Qualifizierungen (Levels 1 bis 3) ermöglichen eine Hierarchieübergreifende Kommunikation in der Klebtechnik.

Die nächste Ausgabe dieser Kolumne beschäftigt sich mit dem dritten Kernelement: „Nachweisführung“.

Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM
„Schweißen muss gelernt sein, Kleben kann jeder – dieses Denken ist ein Missverständniss, mit dem die DIN 2304, Kernelement 2: Einsetzung des KAP, aufräumt.“ Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM

Lösungspartner

Fraunhofer IFAM
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Zielgruppen

Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Instandhaltung, Einkauf