Richtig kleben will gelernt sein – Teil 10

(Bild: Fraunhofer IFAM)

27.05.2021 Richtig kleben will gelernt sein – Teil 10

Qualitätsregelwerke in der Klebtechnik

von Professor Dr. Andreas Groß (Fraunhofer IFAM)

Kleben funktioniert, wenn man es richtig macht. Und „richtig machen“ bedeutet, alle relevanten Aspekte ganzheitlich zu berücksichtigen. In Fortführung des Leitfadens „Kleben – aber richtig“ des IVK e.V. geht dieser Teil auf die Qualitätsregelwerke in der Klebtechnik ein.

Die Regelwerke umfassen die DIN 2304 (allgemeine Industrie), die DIN 6701 (Schienenfahrzeugbau), die prEN 17460 (Schienenfahrzeugbau) und die ISO/DIS 21368 (allgemeine Industrie). Sie legen als reine Anwendernormen den „Stand der Technik“ für die Organisation klebtechnischer Anwendungsprozesse fest. Damit beschreitet die Klebtechnik den gleichen Weg wie die Schweißtechnik, für die ein vergleichbares Regelwerk auf internationaler Ebene längst existiert.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf die DIN 2304, aber in vergleichbarer Weise auch auf die anderen genannten Normen. Alle Normen gelten grundsätzlich für den Einsatz aller Klebstoffe, unabhängig von deren Verfestigungsmechanismen, Verformungs- und Festigkeitseigenschaften.

Welche Probleme entstehen in der Praxis, wenn die klebtechnischen Qualitätsregelwerke, wie z.B. die DIN 2304, nicht fachgerecht befolgt werden? Zunächst einmal keine, solange die Klebungen während der Produktlebensdauer in Ordnung sind. Normen sind keine Gesetze. Nach ihnen kann gearbeitet werden, muss aber nicht. Das ändert sich, wenn es bei einem Versagen von Klebungen zum Rechtsstreit kommt. Als juristische Grundlage gilt grundsätzlich das Produktsicherheitsgesetz, demzufolge nach dem „Stand der Technik“ gearbeitet werden muss. Für die Organisation klebtechnischer Prozesse ist dieser durch die DIN 2304 (und durch die anderen Normen) festgelegt. Folglich ist es im Rechtsstreit für die Anwenderbetriebe ratsam, eindeutig nachweisen zu können, nach dem festgelegten „Stand der Technik“ gearbeitet zu haben. Jedoch ist der eigentliche Sinn der Normen der, dass erst gar keine Klebfehler

auftreten. Alle genannten Regelwerke verfolgen nur ein übergeordnetes Ziel: Basierend auf dem genialen Kerngedanken der ISO 9001, dass bei „speziellen Prozessen“ – also bei Prozessen, die zerstörungsfrei nicht 100 %ig verifiziert, d.h. deren Fehler nicht zerstörungsfrei 100 %ig nachgewiesen werden können (wie z.B. beim Schweißen, Nieten, Löten, Kleben etc.) – diese von vornherein durch ein Qualitätsmanagementsystem vermieden werden. Diesen Kerngedanken konkretisieren die genannten Regelwerke lediglich klebtechnisch – und damit das vorhandene QMS. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Wie vermeidet der Anwender Probleme mit den klebtechnischen Qualitätsregelwerken wie z.B. die DIN 2304 am besten? Hier gibt es es eine Reihe von Maßnahmen, mit denen ein Anwender Probleme vermeiden kann, indem er:

• mit der Einstellung darangeht, dass die Regelwerke ausschließlich dazu dienen, ihm zu helfen und keinesfalls dazu gedacht sind, ihn einzuschränken oder gar zu bevormunden,
• die Norm liest,
• sich bei Fragestellungen hinsichtlich der Normumsetzung im Betrieb von vornherein kompetenten Rat einholt (z.B. bei TBBCert GmbH, TC Kleben GmbH, Fraunhofer IFAM) und nicht versucht, erstmal selbst „herumzuwurschteln“,
• wenn nach DIN 2304 zu arbeiten entschieden wurde, deren Umsetzung mit den genannten Stellen von Anfang an strukturiert. Indem er sich von einer „Third Party“ (z.B. TBBCert GmbH, TC Kleben GmbH) nach DIN 2304 zertifizieren lässt und damit nachweist, nach dem „Stand der Technik“ zu arbeiten.

Wie die anderen genannten Qualitätsnormen enthält die DIN 2304 drei Kernelemente:

1. Die Klassifizierung jeder Klebung nach hohen (S1), mittleren (S2), geringen (S3) und keinen Sicherheitsanforderungen (S4), wofür ausschließlich die Folgen des Klebungsversagens betrachtet werden.
2.Die Einsetzung von Klebaufsichtspersonal mit nachweisbaren klebtechnischen Kompetenzen.
3. Die Nachweisführung, dass die reale Beanspruchung der jeweiligen Klebung während der gesamten Produktlebensdauer grundsätzlich kleiner ist als die maximale Beanspruchbarkeit.

Über welches Know-how sollten die am Klebprozess Beteiligten hinsichtlich der klebtechnischen Qualitätsregelwerke, wie z.B. der DIN 2304 verfügen? Das Kernelement 1 „Klassifizierung“ erfordert keine klebtechnischen Kenntnisse, sondern lediglich den gesunden Menschenverstand. Für die Kernelemente 2 „Klebaufsichtspersonal“ und 3 „Nachweisführung“ sind dagegen bei sicherheitsrelevanten Klebungen (S1 – S3) klebtechnische Kompetenzen für das Personal nachzuweisen.

Die nächsten Ausgaben dieser Kolumne beschäftigen sich daher mit den Themenschwerpunkten der genannten Kernelemente 1 – 3. Den Anfang macht Kernelement 1: „Klassifizierung nach Sicherheitsanforderungen“.

Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM
"Qualitätsregelwerke sind keine Bevormundung – ihre Einhaltung hilft hier, einfach qualitätssicher zu kleben.“ Professor Dr. Andreas Groß, Fraunhofer IFAM