„Für Technologie-Unternehmen wie uns gibt es nur eine Richtung“

(Bild: Adobe Stock_ fotomowo)

16.09.2019 „Für Technologie-Unternehmen wie uns gibt es nur eine Richtung“

Entwicklungen im Dosiertechnikbereich aus Sicht eines eigenständigen Mittelständlers

Prozesssicher (fast) alle Materialien in allen Branchen zu dosieren, ist heute eine technologische Herausforderung und wohin die Reise noch geht, weiß niemand. Das führt zu der Frage, wie sich ein global agierender Mittelständler in dynamischen Märkten positioniert. Franz Kamhuber, Vertriebsleiter, Georg Senftl, Geschäftsführer, und Thomas Diringer, Geschäftsfeldleiter preeflow der ViscoTec Pumpen- u. Dosiertechnik GmbH standen Rede und Antwort.

Aktuelle Trends wie E-Mobilität und Digitalisierung stellen wachsende Anforderungen an das Dosieren und die Applikation von Dicht- und Klebstoffen sowie Vergussmassen. Welche technischen und wirtschaftlichen Fragestellungen sind aktuell in diesem Kontext zu lösen?
Kamhuber: Wir sehen drei zentrale Entwicklungen. So steigt die Volatilität der Märkte und es wird daher immer entscheidender, konkurrenzfähige Produkte mit hohen Qualitätsansprüchen kurzfristig auf den Markt zu bringen.

Beim Dosieren fordern uns die neuen Materialien. Sie vereinen immer mehr Eigenschaften in ein und demselben Fluid. Infolgedessen steigt nicht nur ihre Wertigkeit, sondern gleichermaßen auch die Verarbeitungskomplexität im selben Maß. Bezogen auf die Wertigkeit bedeutet dies die Vermeidung von Materialverschwendung jeglicher Art. Bezogen auf die Verarbeitungskomplexität sind technologisch ausgereifte, durchdachte und qualitativ hochwertige Produkte gefordert, die im Verarbeitungsprozess auch schwierigste Medien handhaben können. Bricht man diese Anforderungen nun weiter auf die Dosiertechnik herunter, spielen Dosier- und Wiederholgenauigkeit eine ebenso wichtige Rolle wie die Unabhängigkeit von rheologischem Verhalten und Viskosität. Ein schönes Beispiel sind Wärmeleitpasten in der E-Mobility, die, z.B. in der Batteriefertigung, die Wärmeabfuhr aus Elektronikbauteilen regeln. Extreme Viskositäten, hohe Dichten und starke Abrasivität der Medien werden mit der Forderung nach schnellem, kontinuierlichem Austrag, geringem Verschleiß und stabilen Prozessen kombiniert. Das haben wir mit der scher- und druckarmen Exzenterschneckenpumpen-Technologie im Griff.

Im Rahmen von allgemeinen Markttrends, wie z.B. Industrie 4.0, ist es entscheidend, das richtige Maß an Digitalisierung und Vernetzung zu finden und die Produkte zeitgleich preislich wettbewerbsfähig zu halten. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist jedoch unabdingbar, weswegen wir neben mechanischen Entwicklungen auch verstärkt die Steuerungstechnik vorantreiben.

Welche Rolle spielen mittelständische deutsche Unternehmen mit ihrem Technologie-Know-how in dieser Gemengelage und in globalen Märkten?
Kamhuber:
Deutschland, wie auch viele andere Industrie- & Wirtschaftsnationen, lebt vom gesunden Mittelstand. Diese Tatsache findet ihren Ursprung im technologischen Fortschritt und der Innovationskraft deutscher Unternehmen, welche sich diese Fähigkeiten über viele Jahrzehnte mühsam erarbeitet haben. So profitieren viele größere Unternehmen und Konzerne vom Aufkauf innovativer KMU. Auch in den kommenden Jahren wird sich an dieser komfortablen Situation nichts drastisch verändern. Voraussetzung ist aber dabei die Auseinandersetzung mit Megatrends – wie z.B. als Paradebeispiel – die Globalisierung und Internationalisierung des Geschäfts. Wer wachsen will, muss sich diesen Herausforderungen stellen und kann dann auch im globalen Wettstreit bestehen. „Made in Germany“ ist international immer noch ein sehr gewichtiges Argument. Der Mittelstand hat den Anschluss an die Globalisierung nicht verpasst und wird auch noch lange technologischer Vorreiter in vielen Bereichen sein – auch wenn der Konkurrenzdruck wächst.

Welche Herausforderungen erwachsen aus dieser Entwicklung für ein Unternehmen wie das Ihre, das die letzten zehn Jahre stark gewachsen ist?
Senftl:
Wachstum und Internationalisierung bringen jede Menge neue Aufgaben mit sich – von erheblich höheren Anforderungen von seiten der Finanzbehörden wie Transfer Pricing bis hin zu einer weltweiten Steuerung des Vertriebs. Dies ist ist immer in Einklang mit der jeweiligen Unternehmenskultur zu bringen. So wollen wir z.B. unseren Niederlassungen möglichst viele Freiheiten lassen, ganz nach dem Motto „Think global, act local“. Natürlich tauchen heute mehr und mehr Marktbegleiter auf. Als Technologieführer in einem definierten Segment müssen wir mit Erfahrung und Innovationskraft vorausgehen – das gilt auch global. Technologieführerschaft hat heute in der Praxis viele Facetten. Es bedeutet z.B. Know-how rechtlich durch Patente zu verteidigen, aber auch, die enge Kundenbindung zu forcieren und Serviceleistungen zu optimieren. Wichtig ist hier auch die Fokussierung eines Unternehmens. Wir bewegen uns hauptsächlich in technologisch sehr anspruchsvollen Anwendungen. Da ist es wichtig, dem Kunden bewusst zu machen, dass der Preis nur eines von vielen Entscheidungskriterien ist, denn was nützt ein geringerer Preis, wenn bei Problemen kein Service erreichbar ist? Unser Wachstum und die damit einhergehende internationale Struktur bieten aber auch die Chance, näher an internationalen Kunden zu sein – und alle unsere Kunden sind international aufgestellt. So sind wir heute auch bei großen Projekten mit im Boot, z.B. in der Luft- & Raumfahrt.

Sie fokussieren sich technologisch auf ein Dosierverfahren, warum?
Senftl:
Ganz einfach, bereits vor über 20 Jahren haben umfangreiche technische Analysen ergeben, dass das Verfahren des Endloskolben-Prinzips viele technische Vorteile bietet. Gerade bei technologisch anspruchsvollen Anwendungen führt daran kein Weg vorbei. Unser Wachstum und die Tatsache, dass nahezu alle unsere Marktbegleiter dieses Dosierverfahren nun auch anbieten oder anbieten wollen, ist der beste Beweis dafür. Auch im Kontext zu einem Trend in der Automatisierungstechnik bietet diese Technik Vorteile. Aufgrund der zunehmenden Individualisierung der Produkte – von kleineren bis zu ganz großen Stückzahlen – wird von der Dosiertechnik ein höheres Maß an Flexiblität verlangt – eine Anforderung, die unser Dosierverfahren erfüllt. Deshalb halten wir an dem Verfahren weiterhin fest. Unsere Spezialität sind und bleiben besonders herausfordernde Projekte, die zum Großteil tatsächlich nur mit unserem Endloskolben-Prinzip realisiert werden können.

Wie hoch war der Entwicklungsaufwand für den heutigen Stand dieser Technik und wie hoch schätzen Sie den weiteren Aufwand ein?
Diringer:
Der wirkliche Aufwand ist über die Jahre schwer zu beziffern. Wir beschäftigen uns seit Jahrzenten mit dieser Technologie und deren Möglichkeiten. Bereits 1992 wurde von unserem damaligen Entwicklungsleiter das Potenzial erkannt, diese Technologie auch zum Dosieren von Flüssigkeiten und nicht nur klassisch als Förderpumpe zu verwenden. Noch vor der eigentlichen Gründung der Firma entstand somit der erste Dispenser auf Basis der Exzenterschnecke. Lange Zeit war diese Technologie dann am Markt eine Randerscheinung, aber nach und nach kristallisierten sich Anwendungsmöglichkeiten in den verschiedensten Industriezweigen heraus – vom Automobilsektor bis zur pharmazeutischen Industrie. Eine Initialzündung war dann die Gründung der Eigenmarke preeflow im Jahre 2007. Auch die Standardisierung der eco-PEN-und eco-DUO Dispenser war eine Art Game-Changer auf dem Markt der Mikrodosiergeräte, welcher zum damaligen Zeitpunkt vornehmlich von Zeit-Druck gesteuerten Geräten dominiert war. Heute ist diese Technologie nicht mehr vom Markt der Mikrodosierung wegzudenken. Welche Herausforderungen sich uns die nächsten Jahre stellen, wird man sehen, aber als Technologieführer darf man auch keinen Aufwand scheuen.

Ingenieurs- und Entwicklungsleistungen auf globalen Märkten zu „schützen“, ist immer wieder ein Thema für deutsche Unternehmen. Wie sieht es hier im Bereich der Dosiertechnik aus?
Diringer:
Da geht es uns nicht anders als allen anderen entwicklungsgetriebenen Unternehmen aus dem europäischen Raum. Auch in der Dosiertechnik-Branche sind Fälschungen oder Kopien ein alltägliches Thema. Der Konkurrenzdruck steigt. Erschreckend dabei ist, dass die Plagiate und Markenverletzungen nicht mehr nur aus dafür bekannten Ländern kommen, die aggressiv auf den europäischen Markt drängen, sondern dass Deutschland als Herkunftsland von Plagiaten nach China den zweiten Platz einnimmt. Der Schaden wird hierbei mit 7,9 Mrd. € beziffert, das entspricht knapp 38.000 Arbeitsplätzen.

Und wie gehen Sie damit um?
Diringer:
Wir bleiben unserer Strategie treu und halten neben der ständigen technologischen Weiterentwicklung vor allem auch mit unserer Erfahrung und unserem Prozess-Know-how dagegen. Das macht uns zum Lösungsanbieter, der im Dialog mit dem Anwender nach den wirtschaftlichen Lösungen für heute und morgen sucht und das definiert einen wichtigen Unterschied zu reinen Komponenten- und/oder Ersatzteillieferanten.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen der geschilderten Entwicklung auf die Entwicklungsarbeit deutscher Unternehmen ein, wie gehen Sie damit um?
Diringer:
Deutschland ist ein Hochtechnologieland und seine Ingenieurskunst wird weltweit anerkannt. Wir müssen uns hier auf unsere Stärken konzentrieren und auf die Anforderungen und Einflüsse vom Markt reagieren. Das geht natürlich nur mit ausreichend Erfahrung, Innovationskraft und einer passenden Strategie. Langfristig bleibt nur der vorn, der vorantreibt. Als Technologieunternehmen müssen wir also in die Entwicklung von Technologie investieren. Und genau das machen wir – weit über dem üblichen Durchschnitt.

Setzen Sie bei der weiteren Unternehmensentwicklung auf eigenes organisches Wachstum oder sind auch Kooperationen und Zukäufe eine Option?
Senftl:
In erster Linie wollen wir – typisch Familienbetrieb – organisch wachsen. Wir sind aber generell auch offen für Kooperationen und verschließen uns nicht für neue Wege der Zusammenarbeit – sei es in der Entwicklung oder in anderen Bereichen. Es macht wirtschaftlich oftmals einfach keinen Sinn, jedes kleine Brötchen selbst zu backen – und Kooperationen von Autofirmen, z.B. im Motorenbau, machen es ja vor. Bei Zukäufen sind wir eher vorsichtig, das muss schon sehr gut passen: Einerseits technisch, aber vor allem die Firmenkulturen müssen zueinander passen. Generell sehen wir sehr positiv in die Zukunft. Wir wagen uns an alle spannenden neuen Anwendungen und Applikationen – das macht uns aus. Wir freuen uns auf die Herausforderungen, die auf uns warten. Wie auch immer sie aussehen werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt zu Herr Kamhuber

Kontakt zu Herr Senftl

Kontakt zu Herr Diringer

Franz Kamhuber, Vertriebsleiter, ViscoTec Pumpen- und Dosiertechnik GmbH
„Als global agierendes mittelständisches Unternehmen müssen wir uns heute verschiedenen, ganz unterschiedlichen Herausforderungen stellen. Mit unserer Technologie und unserem Prozess-Know-how gelingt uns das gut.“ Franz Kamhuber, Vertriebsleiter, ViscoTec Pumpen- und Dosiertechnik GmbH
Georg Senftl, Geschäftsführer, ViscoTec Pumpen- und Dosiertechnik GmbH
„Unsere Strategie setzt in mehrfacher Hinsicht auf eine klare Fokussierung mit dem Ziel der nachhaltigen Technologieführerschaft in definierten Bereichen.“ Georg Senftl, Geschäftsführer, ViscoTec Pumpen- und Dosiertechnik GmbH
Thomas Diringer, Geschäftsfeldleiter preeflow, ViscoTec Pumpen- und Dosiertechnik GmbH
„Plagiate und Kopien wird es immer geben. Aber letztendlich haben wir auch was richtig gemacht, wenn unsere Produkte kopiert werden. Nicht kopieren kann man allerdings unsere Lösungskompetenz.“ Thomas Diringer, Geschäftsfeldleiter preeflow, ViscoTec Pumpen- und Dosiertechnik GmbH

Lösungspartner

ViscoTec Pumpen- u. Dosiertechnik GmbH

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung