17.08.2022 Umsatzrekord ohne Freude
Die breit aufgestellte kunststoffverarbeitende Industrie wächst – laut GKV/TecPart – im ersten Halbjahr um 13,3% auf einen Umsatz von 39,6 Mrd. €. Die einzelnen Sparten entwickeln sich dabei sehr unterschiedlich. Kostensteigerung und Produktionsrückgang belasten das Ergebnis, multiple Krisen den Ausblick.
Die Umsatzsteigerung wurde wesentlich durch die Kostensteigerungen in den Bereichen Material, Energie, Transport und Personal getrieben. Trotz des Produktionsrückgangs von 2% wurden in der Kunststoffverarbeitung 324.000 Menschen oder 1,4% mehr als noch zu Jahresbeginn beschäftigt. Die Bauprodukte führen das Quartett der Kunststoffsparten mit 13,7 Mrd. € Umsatz und einer Steigerung von 18,1% an, gefolgt von den technischen Teilen, diese mit 10,2 Mrd. € Umsatz und einem vergleichsweise schwachen Umsatzplus von 6,2 %. Den stärksten Umsatzzuwachs verzeichnen die Kunststoffverpackungen mit einem Plus von 18,6% auf rund 9,5 Mrd. Euro. Das kleinste Segment, die Kunststoff-Konsumprodukte, wuchs um 8,2% auf 6,2 Mrd. €. Der Exportanteil der Kunststoffprodukte liegt bei knapp 40% und wuchs um rd. 1%.
Die Steigerungen der Kosten für Transport, Personal, Energie und Material konnten in den materialintensiven Branchen Bau und Verpackung am besten weitergegeben werden. Bei den Herstellern von technischen Teilen sieht das Bild anders aus. Allein die Materialkosten stiegen hier nach dem Index „Plastixx TT“ von KIweb seit Anfang des Jahres um 9,6% für technische Kunststoffe, der Umsatz der Sparte jedoch nur um 6,2%. Die Stimmung bei den technischen Teilen ist nach Analyse des Branchenverbandes GKV/TecPart – wenig überraschend – besonders belastet. Viele Unternehmen der Zulieferindustrie berichten von der mangelnden Bereitschaft der Abnehmenden, die Kostensteigerungen gemeinsam zu tragen, und das bei steigenden Gewinnen auf der Endkundenseite. Vielen Kunden sei – laut GKV/TecPart – nicht klar, was hier mit der Zuliefersubstanz derzeit passiere. Die deutlich verzögerten und unzureichenden Preisanpassungen träfen auf reduzierte Abnahmen, was für Serienprozesse sämtliche Kalkulationen aus den Fugen hebe. Der Stromkostenanteil in den Produktkosten hat sich von einem Korridor von 4 bis 10% seit Jahresbeginn verdoppelt. Die verstärkte Produktion von Premiumfahrzeugen (+6,2%) ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach den Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts zulasten der volumenstarken, aber margenschwächeren Mittelklasse- und Kleinwagen (-16 bis - 2%). Wenn dieser Trend der Ergebnisschmälerung nicht gebrochen wird, ist – laut GKV/TecPart – davon auszugehen, dass mit dem Rückzahlungsdruck der Corona-Darlehen im kommenden Jahr einige Unternehmen nicht mehr über die notwendige Liquidität verfügen werden. Viele Kunststoffverarbeiter aus der Mitgliedschaft ebenso wie aus den Branchen der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) berichten bereits heute, dass die Warenkreditversicherungen die Limits der Kunden herabsetzen und somit im Falle der liquiditätsfördernden Factoring-Maßnahmen die Mittel nicht mehr vollumfänglich fließen. Der Verband appelliert in diesem Umfeld, die Rückzahlungsmodalitäten der Corona-Kredite zu strecken, um die Unternehmen, die vor zwei Jahren mit diesen Geldern gerettet wurden, nicht bei der Rückzahlung zu verlieren. Schließlich war nicht davon auszugehen, dass nach der Coronakrise die Chipkrise mit ihren gestörten Lieferketten und dann der Ukraine-Kieg mit den stark gestiegenen Energie- und Materialkosten die Zulieferbranche in diesem Umfang belasten würden. Zudem fordert die ArGeZ ein effektives und sofortiges politisches Eingreifen, etwa durch die Einführung eines Industriestrompreises. Dies würde zwar nicht alle Probleme lösen, jedoch mittlerweile für viele Klein- und Mittelständler existenziell.