29.06.2023 Neuer Werkstoff mit breitem Einsatzspektrum für die Automobilindustrie
Ein Silikonmaterial, das thermisch leitfähig ist, elektrisch isolierend, sich im Spritzguss verarbeiten lässt, zudem auf verbreiteten Substraten wie Kunststoffen, Aluminium und Kupfer haftet und somit Rauigkeiten ausgleicht, hat Freudenberg Sealing Technologies im Programm.
Größtmögliche Universalität: Das war das Ziel des Unternehmens bei der Entwicklung dieses neuen Elastomers. Es vereint scheinbar gegensätzliche Eigenschaften, denn es leitet Wärme gut und ist zugleich elektrisch isolierend. Allen Kundenprojekten gemeinsam ist eine erhebliche Komplexität.
Ein Beispiel: der Ladeanschluss eines Elektroautos. Dieser ist bei einem namhaften Autohersteller bereits seit einiger Zeit mit großen Stückzahlen in der Serienfertigung. Hinter der Ladeklappe zeigt das Fahrzeug einen üblichen mehrpoligen Anschluss für das Ladekabel, eingelassen in eine unscheinbare Kunststofffront. Unsichtbar beginnt direkt dahinter ein Hightech-Bereich. Dort befinden sich mehrere Komponenten, die in ihrem Zusammenspiel maßgeblich sind für das Thermomanagement des Ladevorgangs: eine Platine mit Temperatursensoren sowie Mess- und Regelelektronik für das Lademanagement, sicher untergebracht in einem etwa handtellergroßen Gehäuse. Dieses stellt über das integrierte neuartige „Thermal Interface Material“ (TIM) zugleich eine bestmögliche Wärmeleitfähigkeit zwischen Gehäuse und Sensoren her: Es nimmt den Wärmestrom über die mit der Batterie verbundenen Kupferleitungen auf, leitet diesen an die Temperatursensoren weiter und unterstützt so einen schnellen Aufbau der Laderegelung, inkl. kontinuierlichem Thermomanagement der Fahrzeugbatterie.
Das 2K-Kunststoffgehäuse hat eine komplexe dreidimensionale Geometrie, da die Anschlusspole des Ladesteckers hindurchführen. Es fixiert die biegeempfindliche Platine zuverlässig und unterstützt eine einfache Montage: Die Elektronikeinheit wird über Schnappverbindungen eingeklipst. Das neuartige Elastomer unterstützt eine präzise Kontaktierung und schirmt zugleich mit seiner elektrischen Isolationsfähigkeit die empfindliche Elektronik gegenüber der Ladespannung von bis zu 800 V ab. Das Gehäuse wird mit aufgespritztem Elastomer hergestellt und an einen Automobilzulieferer geliefert, der das Modul wiederum einbaufertig für den Automobilhersteller erstellt. Dieser verbaut es in großen Stückzahlen in Serienfahrzeugen.
Ein wichtiger Vorteil für dieses Projekt ist die effiziente Verarbeitung des Elastomermaterials im Spritzguss. Denn nahezu alle dreidimensionalen Geometrien sind möglich und haften aufgrund der Materialeigenschaften stets optimal am Substrat – ob Kunststoff oder Metall. Es lässt sich direkt aufspritzen und benötigt keine vorherige Grundierung. Silikon ist von Haus aus wie alle Kunststoffe thermisch isolierend. Für den neuen Werkstoff wird es mit anorganischen Füllstoffen vermischt, die es wärmeleitfähig machen. Dabei handelt es sich um spezielle nichtleitende Metallverbindungen. Das Thermal Interface Material hat eine thermische Leitfähigkeit von 1,7 bis 2 W/(mK). Der Verarbeitungsprozess ermöglicht dünnwandige Bauteile. Das ist entsprechend der Wärmegleichung aus der Fourier-Gleichung gut für die Wärmeleitfähigkeit. In diesem Projekt hat das Elastomer unterhalb des Temperatursensors eine Dicke von 0,8 mm. Mit Dicken zwischen 0,8 und 3 mm hat man bisher gute Erfahrungen gemacht. Physikalisch bedingt nimmt die Wärmeübertragung bei größeren Wandstärken ab. Das Material erreicht einen CTI-Wert von 600 und damit die bestmögliche Schutzklasse für die Kriechstromfestigkeit. Die elektrische Durchschlagfestigkeit liegt bei mehr als 10 kV/mm. Damit stellen die üblichen Prüfspannungen von 2,4 bis 4 kV das Material vor keine besonderen Herausforderungen. Die Härte liegt bei rd. 35 Shore A.
Durch die Verarbeitung per Spritzguss werden Lufteinschlüsse sowohl im Elastomer als auch an den Kontaktflächen mit anderen Materialien vermieden. Diese können sonst zu elektrischen Problemen führen, etwa zu Spannungsdurchschlägen – die natürlich auf keinen Fall gewünscht sind. Brandbeständig ist das Material nach UL94 mit der Klassifikation V0 und damit mit der höchstmöglichen Sicherheitsstufe.
In zahlreichen elektrischen Anwendungsfällen ist eine wirkungsvolle Wärmeableitung Voraussetzung für einen effizienten Prozess – überall dort, wo erhebliche Rechenleistungen erforderlich sind oder hohe Ströme fließen. Typische Applikationen kommen derzeit aus der Elektromobilität und nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Anforderungen bei einer Ladespannung von 800 V, die sich in Elektrofahrzeugen immer mehr durchsetzt. Dazu gehören z.B. gekühlte Stromschienen („Busbars“) in Traktionsbatterien. Diese erwärmen sich, insbesondere beim Schnellladen oder bei hoher Leistungsabgabe, vergleichsweise stark. Für das gezielte Entwärmen technischer Komponenten sind Material und Verfahren prädestiniert. Mit einem dreidimensional gestalteten Formteil kann dies in direktem Kontakt zu den elektronischen Bauelementen erfolgen. Das Einsatzspektrum ist groß. Ein Beispiel ist ein ölresistentes TIM, das derzeit bei Freudenberg Sealing Technologies in der Vorentwicklung ist. Ein solches Material erweitert die Einsatzmöglichkeiten noch einmal.