Ein zweites "Leben" für Rotorblätter

Aus ausgedienten Rotorblätter werden stylische Wohnaccessoires (Bild: Wings for Living)

29.06.2023 Ein zweites "Leben" für Rotorblätter

Das Recycling von Windkraftanlagen ist seit Jahren ein viel diskutiertes Thema in Politik und Industrie. Ökologisch und ökonomisch vertretbare Entsorgungslösungen müssen her. Ein Beispiel ist nach Informationen des IVK das Start-up Wings for Living. Hier werden ausgediente Rotorblätter zu stylischen Outdoor-Möbeln aufgewertet.

Stand heute können 80 bis 90% von ausgedienten Windrädern recycelt werden. Der aus Stahl bestehende Mast, der Generator, der Beton des Fundaments – all das kann bereits wiederverwendet oder -verwertet werden. Am Ende bleiben nur die Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff übrig. Ein Recycling durch Pyrolyse [1] oder Zerspanung ist möglich, jedoch noch sehr kosten- und energieaufwändig. Eine kreative Lösung auch den ausrangierten Rotorblättern ein zweites "Leben" zu schenken, sind Upcycling-Outdoor-Möbel. Von Firmensitz in Dresden aus werden alle Vertriebsaktivitäten des Start-ups gesteuert. Die Produktion erfolgt in der polnischen Manufaktur Anmet in Szprotawa (dt. Sprottau). Eben hier ist 2019 auch die Idee zu den nachhaltigen Wohnaccessoires, wie Bänken oder Liegen, gemeinsam mit Studierenden des Instituts der bildenden Künste der Universität Zielona Góra (dt. Grünberg) entstanden. Um für die Herstellung das äußerst stabile Material verarbeiten zu können, also zu zersägen, musste eine eigene Methodik entwickelt werden.

Ein Rotorblatt wiegt – je nach Ausführung – an die 15 t und ist teilweise mehr als 50 m lang. Es besteht zum größten Teil aus faserverstärkten Kunststoffen. Diese bieten sehr gute mechanische Eigenschaften bei einem relativ geringen Gewicht. Dabei kommen Glas- oder Kohlenstofffasern zum Einsatz. Die Kunststoffmatrix ist häufig Epoxidharz, das die Verstärkungsfasern einbindet und fixiert. Zusätzlich enthalten einige Rotorblattvarianten leichtes, dennoch sehr festes Balsaholz als Kernmaterial, um ihre Formstabilität zusätzlich zu erhöhen. Im  Sandwichverfahren werden die anderen Werkstoffe um den Kern geschichtet. Bei der häufigsten Bauweise von Rotorblättern werden zwei separat gefertigte Halbschalen miteinander verklebt. Diese Halbschalen bilden die aerodynamische Form des Blattes und wirken dem Verdrehen oder Verbiegen entgegen.

Bestehend aus faserverstärktem Kunststoff lässt sich ein Rotorblatt  nicht mit handelsüblichen Sägen zerteilen, da diese förmlich im Material stecken bleiben würden. Also wurde eine eigene Art von Glasfaserkunststoffsäge entwickelt. Zum Zerschneiden des Rotorblatts braucht diese pro Schnitt bis zu 4 min. Um die filigranen Formen der Möbelstücke herzustellen, werden die ausgedienten Windradstücke in diesem Arbeitsschritt „filetiert“. Die Besonderheit: Durch die unterschiedliche Form jedes Rotorblatts bekommt jedes Möbelstück seine eigene individuelle Form und wird so zum Unikat. Anschließend werden die entstehenden Schnittstellen mit Polyesterharz und kleinen Glasfaser-Matten verschlossen. Dies dient zum Schutz des Balsaholzes in den Rotorblättern vor eindringender Nässe. So wird das Möbelstück noch witterungsbeständiger und wasserfester. Im nächsten Schritt werden die Rohlinge verspachtelt und meist weiß oder grau lackiert.
Die Sitzflächen sowie Lehnen sind aus hochwertigem, lackierten Lärchenholz, das handwerklich auf jedes Einzelstück angepasst werden muss. Optisch lässt sich das Lärchenholz in geflammter dunklerer Variante wählen oder in naturfarben heller Variante. Auf Wunsch lassen sich die Möbel individuell farblich lackieren oder durch ein individuelles Foliendesign folieren. 

Die Rotorblätter, die zur Herstellung der allerersten Möbelstücke verwendet wurden, haben vor ihrer Verwandlung in Möbelstücke im Windpark Carinerland (Mecklenburg-Vorpommern) bereits 25 Jahre ihren Dienst geleistet. Dabei haben sie täglich etwa 12,5 MW grünen Strom erzeugt und damit rund 1.000 Haushalte versorgt – und dadurch circa 35.500 t CO2 eingespart [2].

Mittlerweile werden nicht mehr nur Liegen und Bänke hergestellt. Hinzugekommen sind Pflanzenkübel und Hochbeete, Sitzkombos und Solareditionen der Möbelstücke mit selbstklebenden Solarelementen, die für Strom zum Laden von z.B.Handys sorgen. Ebenso gibt es bereits Prototypen von Carports, Design-Kaffee-Tischen, Fahrradständern oder auch Mülleimer-Einfassungen. So tragen die Rotorblätter nach ihrer aktiven Zeit als Teil einer Windkraftanlage auch mit neuer Funktion zu einer nachhaltigeren Welt bei.

Quellen:
[1] Pyrolyse: Ein thermo-chemischer Umwandlungsprozess, bei dem organische Verbindungen bei hohen Temperaturen, unter hohem Druck und unter Ausschluss von Sauerstoff gespalten werden.
[2] https://wings-for-living.de/https://wings-for-living.de/
https://wings-for-living.de/pages/herstellung
https://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/deutsch-polnisches-start-up-fertigt-moebel-aus-rotorblaettern-17319921.html

Lösungspartner

Industrieverband Klebstoffe e. V. (IVK)
Industrieverband Klebstoffe e. V. (IVK)

 

Branchen

Consumer

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb