20.10.2021 Deutsche Klebstoffindustrie: Wachstum trotz Rohstoffknappheit erwartet
Die deutsche Klebstoffindustrie hat das Geschäftsjahr 2020 nach Informationen des Industrieverbands Klebstoffe e. V. (IVK) mit einem deutlichen Umsatzrückgang von 4,5% abgeschlossen. Trotz anhaltender COVID-19-Pandemie und Rohstoffkrise ist 2021 mit Erholung und Wachstum zu rechnen.
Allein mit Klebstoffen konnte die deutsche Klebstoffindustrie 2020 einen Inlandsumsatz von knapp 2 Mrd. € erzielen. Zusammen mit Dichtstoffen, zementären Bauklebstoffen und Klebebändern belief sich der Umsatz auf knapp 4 Mrd. €. Darüber hinaus wurde von Auslandsgesellschaften deutscher Klebstoffunternehmen ein Umsatzwert von 9 Mrd. € erzielt. In Deutschland waren knapp 17.000 Beschäftigte für die Klebstoffindustrie tätig, weltweit ca. 52.000.
Die Bereiche Holz, Papier/Verpackungen und Möbel sowie DIY zählten 2020 zu den wichtigsten Absatzmärkten für Klebstoffe. Hier machte sich der Cocooning-Effekt positiv bemerkbar. Durch Lockdowns, Homeoffice und Kontaktbeschränkungen waren Verbraucherinnen und Verbraucher gezwungen, mehr Zeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen und tätigten vermehrt Anschaffungen via Online-Bestellung bzw. Post-/Paketzustellungen. Die daraus resultierende Renovierungswelle ließ Baumärkte und Online-Möbelhandel hohe Umsatzzahlen vermelden. Auch Verpackungsklebstoffe für den Online-Versand entwickelten sich entsprechend positiv. Ebenfalls gut entwickelt haben sich die Bereiche Elektronik und Bau. Der Bausektor profitierte von geöffneten Baustellen auch während der Lockdowns.
Die deutsche Klebstoffindustrie befindet sich angesichts der guten Wirtschaftsentwicklung und der damit einhergehenden sehr guten Auftragslage auf einem deutlich positiven Wachstumspfad im Jahr 2021, kämpft aber seit dem Frühjahr mit erheblichen Herausforderungen auf der Beschaffungsseite. Sie befindet sich inmitten einer historischen, nie da gewesenen Rohstoffsituation. Aufgrund einer Verkettung verschiedener unvorhersehbarer Ereignisse sind die Lieferketten in eine schwere Überlastungssituation geraten. Diese Situation wird sich in den nächsten Monaten nicht fundamental verbessern, obwohl einige der Auslöser bereits weit in der Vergangenheit liegen und direkte Probleme mittlerweile gelöst sind: Zeitgleich zur Wiederbelebung der globalen Wirtschaft Anfang 2021 kam es zu massiven Produktionsausfällen durch Anlagenstillstände. Einerseits wurden langgeplante Wartungsarbeiten (Turnarounds) an Großanlagen durchgeführt, andererseits meldeten einige europäische und US-amerikanische Chemiehersteller Force Majeure. Zusätzlich führte Mitte Februar ein überraschend starker Wintereinbruch in Texas zum Ausfall eines großen Teils der dortigen Raffinerie-, Petrochemie- und Chemieproduktion, was die Situation weiter verschärfte. Viele Unternehmen konnten erst im Sommer die Lieferausfälle infolge höherer Gewalt als beendet erklären. Weiter beeinträchtigt wurde die Lage durch Probleme in der Transportlogistik. Im März blockierte der Frachter „Ever Given“ den Suezkanal, durch den rd. 12% der Welthandelsgüter verschifft werden. Weitere Staus und Sperrungen der großen Containerhäfen – insbesondere in China aufgrund von Corona-Ausbrüchen – verringerten die Transportkapazitäten zusätzlich und trieben die Frachtkosten in die Höhe. In dieser sowieso schon angespannten Lage traf im August Hurricane Ida auf die Golfküste der USA und ein Großteil der Öl- und Gasproduktion wurde als Vorsichtsmaßnahme kontrolliert heruntergefahren. Große Häfen im Golf von Mexiko mussten den Betrieb zeitweise einstellen, wodurch die Erholung der Logistikkette weiter verzögert wurde. Um den stark schwankenden Rohstoffverfügbarkeiten entgegenzuwirken, planten viele Unternehmen, ihre Lagerkapazitäten deutlich auszubauen und beanspruchten mit Vorratskäufen verfügbare Kapazitäten noch zusätzlich.
Aufgrund dieser Ereignisse wurden auch die Lieferketten der deutschen Klebstoffindustrie bei guter Auftragslage in Mitleidenschaft gezogen. Die Lieferkettenstrukturen sind grundsätzlich intakt. Mit einer schnellen Rückkehr zur Normalität ist aber kurzfristig nicht zu rechnen, da z.B. auch Rohstoffkapazitäten in China wegen stärkerer Kontrolle von Energieaufwand und CO2-Erzeugung zeitweise reduziert werden und diese Reduktionen wiederum in den globalen Märkten fehlen.
Trotz eingeschränkter Produktionsmöglichkeiten durch Engpässe bei Klebstoffrohstoffen und Spezialchemie und auch durch Störungen der internationalen Lieferketten und den damit einhergehenden signifikanten Kostensteigerungen bleibt die Klebstoffbranche zuversichtlich – denn die Märkte ziehen an und Klebstoffe sind gefragt. Die Branche bleibt somit in der zweiten Jahreshälfte 2021 durch die große Nachfrage der Kunden positiv gestimmt.