Auf Polycarbonat selbsthaftende Flüssigsilicone

Tests zeigen, dass der selbsthaftende Siliconkautschuk ELASTOSIL® LR 3078 auf Polycarbonat ohne Vorbehandlung der Oberflächen exzellent haftet (Bild: WACKER)

23.11.2022 Auf Polycarbonat selbsthaftende Flüssigsilicone

Für die feste Verbindung von Silicon mit thermoplastischen Kunststoffen hat Wacker Flüssigsiliconkautschuke entwickelt, die exzellent auf Polycarbonat haften und sich zügig und problemlos im 2K-Spritzgießverfahren verarbeiten lassen.

In der Produktreihe ELASTOSIL® LR 3078 nutzt der Chemiekonzern eine neuartige, patentierte Selbsthaftungstechnologie, die speziell für die Paarung Polycarbonat/Silicon entwickelt wurde. Die Technologie führt zu einem schnellen Haftungsaufbau – bereits im Formwerkzeug der Spritzgießmaschine wird eine sehr hohe Haftfestigkeit erreicht. Da die Silicone nicht am metallischen Formwerkzeug haften, lassen sich die Verbundartikel problemlos entformen. Auch ist keine Nachbearbeitung notwendig, die Formteile können direkt weiterverarbeitet werden. Mit Härtegraden von 20 bis 70 Shore A decken die Typen der Produktreihe den gesamten Härtebereich ab, den die Bauteildesigner für die Weichkomponente von Polycarbonat-Silicon-Verbundartikeln benötigen.

Zur Prüfung der Verbundfestigkeit führte  man in Anlehnung an die Norm DIN ISO 813 90°-Schälversuche durch. In den Versuchen lagen die Trennkräfte bei mindestens 10 n/mm, in vielen Fällen deutlich darüber. Solche Trennkraftwerte gelten als sehr gut. Zusätzlich untersuchte  man das Rissbild der in den Schälversuchen zerstörten Verbundprobekörper. Damit wollte man klären, wo die Schwachstelle des Verbunds lag: Entstand der Riss in der Verbindungsfläche zwischen Hart- und Weichkomponente, oder entstand er innerhalb der Weichkomponente? Die Rissbilder liefern den Beweis für einen Kohäsionsriss im Silicon – in den Schälversuchen brach also die Weichkomponente, die Verbindung zwischen Hart- und Weichkomponente blieb dagegen intakt. Zusammen mit den hohen Trennkraftwerten liefert dieses Ergebnis den Beweis für die exzellente Haftfestigkeit.

Auch hinsichtlich der Verarbeitung bietet die Reihe ELASTOSIL® LR 3078 Vorteile, wie die Laborprüfungen und Spritzgussversuche zeigten. So vernetzen diese Flüssigsiliconkautschuke außerordentlich schnell – selbst wenn die Aushärtung bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen erfolgt, lassen sich beim Spritzgießen kurze Zykluszeiten erreichen. Der Verarbeiter kann somit seinen Prozess auf die begrenzte Wärmeformbeständigkeit der Hartkomponente abstimmen und trotzdem eine hohe Produktivität erzielen. Ein  weiterer positiver Aspekt hinsichtlich der Verarbeitung im Spritzguss ist, dass die Siliconkautschuk-Formulierungen eine sehr geringe Tendenz zu möglichen Ablagerungen im Formwerkzeug aufweisen. Bilden sich im Spritzgussprozess Formablagerungen, müssen die Formwerkzeuge ausgebaut und gereinigt werden. Mit ELASTOSIL® LR 3078 sind Produktionsunterbrechungen dieser Art praktisch ausgeschlossen, sodass vollautomatisierte Prozesse möglich sind. Darüber hinaus lassen sich aus ELASTOSIL® LR 3078 auch komplex designte Strukturen erzeugen, wobei selbst kleinste Details in hoher Präzision reproduziert werden. Damit kommt die neue Produktreihe dem Trend zur Bauteil-Miniaturisierung entgegen.


Wegen der begrenzten Wärmeformbeständigkeit der thermoplastischen Hartkomponente werden Polycarbonat-Silicon-Verbunde ungetempert, also ohne thermische Nachbehandlung, eingesetzt – das Polycarbonat würde der Hitzebelastung nicht standhalten. Durch das neue Formulierungskonzept erreichte  man, dass die neuen Silicone bereits im ungetemperten Zustand sehr gute mechanische Eigenschaften aufweisen. So zeichnen sich die ungetemperten Vulkanisate der neuen Silicontypen durch niedrige Druckverformungsreste aus. Ist der Druckverformungsrest niedrig, hat das Elastomer ein hohes elastisches Rückstellvermögen. Ohne dass die Vulkanisate getempert werden, erreichen sämtliche Typen der Reihe ELASTOSIL® LR 3078 Druckverformungsreste deutlich unter 20%, ermittelt nach einer 22-stündigen Lagerung bei 125 °C im verpressten Zustand. Dies sind sehr niedrige Werte. Dichtelemente aus den neuen Siliconen bleiben also lange funktionstüchtig.

Die Vulkanisate von ELASTOSIL® LR 3078 sind biokompatibel gemäß ausgewählter Tests nach DIN ISO 10993 und United States Phamacopeia (USP) Class VI. Bei der Prüfung gemäß DIN ISO 10993 wurden die Materialien hinsichtlich ihrer Zytotoxizität, Pyrogenität und Sensibilisierung untersucht. Die Prüfung nach USP Kapitel <88> Class VI umfasste Tests zur akuten systemischen und intrakutanen Toxizität und zur Kurzzeit-Implantation. Darüber hinaus kommt die neue Selbsthaftungstechnologie völlig ohne den Einsatz von Bisphenol-A-haltigen Strukturen aus. Der Verzicht auf diese Substanzklasse erhöht die Arbeitssicherheit bei Herstellung und Verarbeitung der Siliconkautschuke und trägt zum Verbraucherschutz bei.

Auch sind die Vulkanisate und die mit ELASTOSIL® LR 3078 hergestellten Polycarbonat-Silicon-Verbunde, sofern diese mit dafür geeigneten Polycarbonattypen hergestellt werden, dampfsterilisierbar: Selbst nach hundert Sterilisationszyklen mit 134 °C heißem Dampf bleiben die mechanischen Eigenschaften des Silicons nahezu unverändert. Bei der Haftungsperfomance ist ab fünfzig Sterilisationszyklen eine Verringerung der Trennkraftwerte zu beobachten, die mit einer Veränderung zu einem adhäsiven Rissbild einhergeht – es kommt zum Riss in der Verbindung zwischen Hart- und Weichkomponente. Gleichwohl bleibt die Trennkraft auf hohem Niveau: Selbst nach 100 Zyklen liegen die Trennkraftwerte noch über 10 n/mm.

Als biokompatibles und dampfsterilisierbares Material ist ELASTOSIL® LR 3078 prädestiniert für medizintechnische Anwendungen. Aber auch andere Industriebranchen können spritzgegossene Verbundartikel aus Polycarbonat und Silicon nutzen, etwa die Automobilindustrie. Möglich sind z.B. transparente Abdeckungen mit integrierten Dichtlippen oder transparente Bauteile für Ambientebeleuchtungen im Innenraum.

Lösungspartner

Wacker Chemie AG
Wacker Chemie AG

 

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Qualitätssicherung