19.03.2018 Zunehmender Engineering-Bedarf
Trends bei dynamischen Dichtsystemen
Die Entwicklung ist nicht neu – die Einsatzbedingungen einer Branche führen meist zu steigenden und/oder veränderten Anforderungen. Neben bewährten Lösungen sind immer mehr neue und/oder individualisiertere Lösungen die Antwort. Allen gemeinsam ist der zunehmende Engineering-Bedarf und die wachsende Bedeutung der Anbieter als Lösungspartner.
Wir beobachten insbesondere in der Automobilindustrie mehrere starke Trends und neue Technologien, die großen Einfluss auf die Entwicklung dynamischer Dichtsysteme haben. Ein Beispiel ist die Elektromobilität: Hier müssen Dichtungen bidirektional abdichten und an die speziellen Anforderungen von hochdrehenden Wellen angepasst werden. Auch die zum Einsatz kommenden niedrigviskosen Öle und große Temperaturbereiche beeinflussen die Entwicklung von Dichtungen. Die abzudichtenden Wellen von Elektromotoren sind außerdem kleiner und werden häufig ohne Kühlschmiermittel betrieben, was für den Betrieb eines dynamischen Dichtsystems eine Herausforderung ist. Mit der Elektrifizierung wiederum steigt auch die Anzahl von kleinen Aktuatoren im Fahrzeug, wodurch die dynamischen Dichtsysteme wiederum vermehrt mit kleinen Wellen und schlechter Schmierstoffversorgung funktionieren müssen.
Ein immer noch wichtiger Trend bei dynamischen Wellenabdichtungen ist die Reibungsreduzierung. Bei Verbrennungsmotoren können durch reibungsreduzierte oder gar reibungslose Dichtungen bis zu 2 g CO2-Emissionen pro Kilometer allein im Antriebsstrang eingespart werden. Was bei den Verbrennungsmotoren die CO2-Einsparung ist, ist bei den batteriegetriebenen Fahrzeugen die Steigerung der Reichweite pro Batterieladung. Mit optimierten dynamischen Wellenabdichtungen können im Elektroantriebsstrang mehrere Kilometer pro Batterieladung gewonnen werden. Solche neuen Entwicklungen kosten natürlich Geld: Forschung und Entwicklung für Material und Produktdesign sowie Prüfstände und Simulationsmodelle erfordern eine große Grundinvestition, bevor überhaupt ein einziges neues Produkt angeboten werden kann. Deshalb starten viele der neuen Produkte zunächst auf einem höherem Preisniveau, das sich dann schnell relativiert, sobald eine entsprechend große Marktnachfrage existiert. Allerdings werden neue Technologien heute immer schneller entwickelt und in den Markt gebracht.
Deshalb ist es wichtig, kontinuierlich einen guten Überblick über den Markt und die verfügbaren Technologien zu haben. Es gilt, die Bedarfe der Kunden möglichst im Detail zu kennen, um Technologien und Produkte zielgerichtet zu entwickeln. Der enge Kontakt mit Kunden auf allen Ebenen (Entwicklung, Produktion, Verkauf) ist also essentiell. Deshalb arbeiten wir in der Entwicklung, und insbesondere in der zentralen Vorausentwicklung, möglichst in interdisziplinären Teams aus allen Unternehmensbereichen. Diese Teams arbeiten mit modernen Entwicklungstools (Simulation) und neuester Prüftechnik, was eine elementare Voraussetzung für den Erfolg ist. Auf dieser Basis haben wir z.B. in den vergangenen Jahren unser „LESS“-Portfolio (Low Emission Sealing Solutions) aufgebaut – mit Dichtungslösungen, die helfen, Reibung zu minimieren, die Funktion zu verbessern, Einbauraum optimal zu nutzen und Gewicht zu sparen. Dadurch können der Energieverbrauch und der Emissionsausstoß von Fahrzeugen nachhaltig gesenkt werden. Mit solchen Produkten helfen wir unseren Kunden in der Automobilindustrie, ihre Emissions- und Verbrauchsziele zu erreichen.
Ein anderes neues Produkt in unserem Portfolio sind Rotationsdichtungen, bei denen Polyurethane mit neuen Hochleistungs-Kunststoffen verbunden werden. Das hilft insbesondere bei Hydraulikanwendungen, in denen Dichtungen, die aus zwei Polyurethan-Komponenten gefertigt werden, den Zielkonflikt von Dichtheit und Festigkeit lösen.
Mit Blick auf die Zukunft arbeiten wir derzeit intensiv an „smarten Materialien“, über die wir Sensorikfähigkeiten in die Dichtungen integrieren können. Mit dem Aufkommen von Industrie 4.0 wollen unsere Kunden ihre Systeme effizienter betreiben und z.B. den Verschleiß, besser einschätzen. Für Dichtungen
sehen wir, insbesondere bei der „vorhersagenden Zustandsüberwachung“ (predictive maintenance) großes Potenzial, also bei der Information, wann eine Dichtung an Leistungsfähigkeit verliert (Temperatur, Verschleißüberwachung, Medienverträglichkeit, Schadensdetektion). Auf diese Weise lassen sich Wartungsintervalle, ohne die Gefahr eines unbemerkten Dichtsystemausfalls, verlängern. Daneben forschen wir auch an Materialien für gedruckte Dichtungen, die beim Additive Manufacturing und Rapid Prototyping zum Einsatz kommen, um schnell und flexibel funktionsfähige Dichtungen herstellen zu können. Themen aus der weiteren Zukunft sind: Selbstreparierende Dichtsysteme, die z.B. Risse im Betrieb wieder selbstständig schließen können und damit den Dichtsystemausfall verhindern. Und im Hinblick auf den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen sind natürlich vollständig abbaubare Dichtsysteme ein sehr interessantes Forschungsthema.
„Klassische und Elektromobilität stellen derzeit höchste Anforderungen an dynamische Dichtsysteme. Es gilt, für beide Bereiche leistungsfähige Lösungen zu haben.“ Dr. Daniel Frölich, Director Division Product Pre-Development, Technology & Innovation, Freudenberg Sealing Technolgies
„Klassische und Elektromobilität stellen derzeit höchste Anforderungen an dynamische Dichtsysteme. Es gilt, für beide Bereiche leistungsfähige Lösungen zu haben.“ Dr. Tim Leichner, Director Strategic Product Pre-Development, Technology & Innovation, Freudenberg Sealing Technologies