„Wir sollten eine zentrale Entscheidung treffen.“

(Bild: AdobeStock_encierro)

10.09.2024 „Wir sollten eine zentrale Entscheidung treffen.“

von Dr. Evert Smit (Afera, The European Adhesive Tape Association)

In Fortsetzung meiner letzten Kolumne über die Psychologie des Wandels [1] möchte ich mich nun auf das „Wie“ und „Warum“ des Wandels konzentrieren.

In der heutigen VUCA-Welt (volatility – Volatilität, uncertainty – Ungewissheit, complexity – Komplexität, ambigiuty – Mehrdeutigkeit) spielen Führungskräfte und Manager eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die notwendige disruptive Innovation voranzutreiben. Aber auf welche Weise? Das Festhalten an strukturiertem Projektmanagement, Stage-Gate-Prozessen und SMART-Zielen mag einige Vorteile bieten, z.B. klar definierte Projekte und Risikomanagement. Doch in einer Welt, in der traditionelle Faktoren wie der Shareholder-Value – glücklicherweise – an Bedeutung verlieren, werden diese strukturierten Ansätze zu großen Hindernissen. Unternehmen müssen sich zudem in Richtung Kreislaufwirtschaft bewegen und sich auf einen geringen Kohlenstoff-Fußabdruck, den verstärkten Einsatz von biobasierten Materialien und die Reparierbarkeit von Produkten konzentrieren. Nachhaltige Innovation ist nicht nur ein Schlagwort, sie ist eine Notwendigkeit. Unternehmen müssen umdenken oder sich sogar neu erfinden, um sicherzustellen, dass sie nicht nur innovativ, sondern auch verantwortungsbewusst handeln.

Disruptive Innovation erfordert Flexibilität, schnelle Iteration und die Bereitschaft, neue Gebiete zu erkunden – Eigenschaften, die durch starre Strukturen oft unterdrückt werden. Der Stage-Gate-Prozess ist zwar hervorragend geeignet, um Risiken zu minimieren und einen systematischen Fortschritt sicherzustellen, kann aber Innovationen bremsen und es schwierig machen, schnell auf neue Chancen zu reagieren. Es ist an der Zeit, dass sich Manager:innen von allzu strukturierten Ansätzen verabschieden und flexiblere, anpassungsfähigere Methoden anwenden. Dabei ist die Förderung einer Kultur, die Kreativität und Risikobereitschaft schätzt, von wesentlicher Bedeutung. Das bedeutet, Raum für Experimente zu schaffen und Misserfolge als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren. Innovation gedeiht in einem Umfeld, in dem Ideen ohne die Zwänge starrer Prozesse schnell getestet und wiederholt werden können [2]. Allerdings geschieht dies in der Praxis nicht immer, und zu oft folgen „Worten“ keine „Taten“. Um diese Situation zu verdeutlichen, sollten wir uns mit den gegensätzlichen Weltanschauungen der Theorie X und der Theorie Y befassen. Die von Douglas McGregor vorgeschlagene Theorie X sieht die Mitarbeitenden als von Natur aus faul an, weshalb eine strenge Überwachung benötigt wird. Diese Sichtweise passt zu traditionellen, „blauen“ Organisationen, die durch hierarchische, kontrollierte Umgebungen gekennzeichnet sind, in denen Prozesse strikt befolgt werden. Dieser Ansatz kann zwar eine beruhigende Ordnung und Vorhersehbarkeit schaffen, hemmt aber Kreativität und schnelle Innovation. Theorie Y hingegen besagt, dass die Mitarbeitenden selbst motiviert sind, dass sie Verantwortung übernehmen wollen und dass man ihnen zutraut, unabhängig zu arbeiten. Dies entspricht modernen „roten“ Organisationen – dynamisch, vernetzt und anpassungsfähig. Diese Organisationen fördern ein Umfeld, in dem die Mitarbeitenden wirklich befähigt werden, Innovationen gefördert werden und schnelle, nicht hierarchische Entscheidungen möglich sind. Der Wechsel von einer Theorie X zu einer Theorie Y bedeutet, dass die Mitarbeitenden als Aktivposten betrachtet werden, die in der Lage sind, Innovationen voranzutreiben, wenn das richtige Umfeld gegeben ist.

Organisationen müssten sich also schnell von einer „blauen“ zu einer eher „roten“ Struktur weiterentwickeln, um aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. [3] Das bedeutet, dass wir uns von stark kontrollierten und hierarchischen Strukturen mit klaren jährlichen Budgetplanungsprozessen und der Steuerung über schriftlich festgelegte jährliche SMART- oder OKR-Ziele – und damit verbundenen Anreizsystemen (Boni) – zu dynamischeren, vernetzten und anpassungsfähigeren Strukturen bewegen. In einer roten Organisation sind die Teams wirklich in der Lage, schnell Entscheidungen zu treffen und frei an Innovationen zu arbeiten, ohne durch übermäßige Bürokratie behindert zu werden.

Aber es geht nicht nur um die Organisationsstruktur. Traditionelle Gate-Kriterien im Stage-Gate-Prozess sind hier zu starr. Stattdessen ist die Einbeziehung qualitativer Erkenntnisse und des Potenzials für bahnbrechende Auswirkungen entscheidend. Design-Thinking-Prinzipien können die nutzerzentrierte Innovation weiter verbessern und sicherstellen, dass disruptive Ideen auf realen Welt-/Markt-/Kundenbedürfnissen beruhen, mit denen die Menschen etwas anfangen können und wollen. Die Förderung eines Theory-Y-Umfelds ermutigt die Mitarbeitenden, die Initiative zu ergreifen und einen kreativen Beitrag zu leisten, was für disruptive Innovationen unerlässlich ist. Das Management muss dafür den optimalen Rahmen schaffen – also z.B. keine Lenkungsausschüsse mehr, die m.E. eine Zeitverschwendung sind und Entwicklungen eher lähmen.

Man muss sich z.B. nur ein Klebebandunternehmen vorstellen, das mit schnellen Marktveränderungen konfrontiert ist. Durch die Einführung flexiblerer Methoden können die Teams schnell iterieren, neue Ideen testen und bei Bedarf umschwenken, um den Markttrends voraus zu sein. Entscheidend dabei ist, dass die Expert:innen die Entscheidungen treffen und nicht die (Linien-)Manager:innen, die weniger stark involviert sind. Die Umstellung auf eine dynamischere Organisationsstruktur ermöglicht eine schnellere Entscheidungsfindung und eine bessere Anpassungsfähigkeit an Markterfordernisse. Dieser Wandel fördert nicht nur die Arbeitsmoral, sondern schöpft auch das kreative Potenzial der Belegschaft aus.

Weiterführende Artikel
[1] https://www.linkedin.com/pulse/psychology-change-evert-smit-lgcae/
[2] https://www.linkedin.com/pulse/thought-mid-week-why-smart-goals-can-limit-your-teams-evert-smit-jinwe/)
[3] https://www.linkedin.com/pulse/ant-colony-resilient-business-model-future-evert-smit-iaoqe/).

Dr. Evert Smit, President AFERA
„Wenn Führungskräfte nur Ziele und ‚Leitplanken’ für Entwicklungen vorgeben, ist der Weg für transformative und nachhaltige Innovationen in unserer VUCA-Welt geebnet.“ Dr. Evert Smit, President AFERA

Lösungspartner

Afera, The European Adhesive Tape Association
Afera, The European Adhesive Tape Association

 

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb