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11.03.2025 Totgesagte leben manchmal länger
Als ich 1971, also vor mehr als 50 Jahren, die Welt des Klebens kennenlernte, erfuhr ich zunächst wenig über das Kleben an sich, sondern viel über einzelne Klebstofftechnologien und über die dazugehörigen Produkte – so war das damals.
Die meisten Klebstoffe waren damals lösemittelbasiert, es gab erste Schmelzklebstoffe, eine Reihe von Epoxid-Klebstoffen und polyurethanbasierten Reaktionsklebstoffen– alles in allem war das Kleben überschaubar. Ich erinnere mich auch noch gut an die Empfehlung, mich nicht zu sehr mit lösemittelhaltigen Klebstoffen zu beschäftigen, da diese bald „aussterben" würden. Pustekuchen: Der deutsche Titel des Romans „Cross Bones“ von Kathy Reichs: „Totgesagt leben länger“ gilt wohl übertragen auch für lösemittelbasierte Klebstoffe.
Und bevor jetzt Widerspruch kommt: Richtig, aus vielen Industrie-Großserienanwendungen sind diese in den meisten Branchen verschwunden – aber lange noch nicht in allen Industrien und erst recht nicht überall. Kühlkörper in großen Klimaanlagen bzw. Kühltürmen werden immer noch mit lösemittelhaltigen Klebstoffen geklebt. Ein großer Teil der Sport- und Freizeitschuhe wird so gefertigt und in Handwerk und Gewerbe finden sich immer noch Anwendungsfelder, in denen man am Lösemittel nicht vorbeikommt. Besonders bei Kunststoffklebungen greift man gerne auf „PVC-Cements“ zurück, egal ob das PVC- oder ABS-Leitungen sind, Pool-Auskleidungen, Dach- oder Dichtungsbahnen – hier finden diese altbewährten Systeme ihre Anwendung. Der Bedarf ist also da. Interessanterweise ist aber die Zahl der Anbieter gesunken – warum? Seit fünf Jahrzehnten totgesagt – das hat nicht wenige Traditionsanbieter dazu motiviert, ganz auszusteigen bzw. ihr Angebot massiv auszudünnen. Gibt es also kein Angebot mehr? Nein, denn Anwendende können auf die Angebote der neuer Anbieter zurückgreifen, die entweder als Firma neu entstanden sind oder solche die nach Europa gekommen sind. Diese sind dann in ihrer Nische wie ein „Phönix aus der Asche“ erschienen. Der Marketeer in mir beobachtet das mit einem gewissen Respekt und stellt sich die Frage, ob wir nicht manchmal (zu) schnell mit dem formalen und/oder medialen „Aus“ dieser oder jener etablierten Technologie zur Hand sind. Die Frage ist mir die letzten Jahre auch in anderen Zusammenhängen immer wieder durch den Kopf gegangen – insbesondere, wenn ich den Eindruck hatte, dass ein einfaches „Aus“ der Komplexität der eigentlichen Frage- oder Problemstellung nicht gerecht wurde. Auch zukünftig werden Klebsysteme zur Diskussion stehen. Ich bin dann auf die Denkanstöße und Ziele der verschiedenen Akteure und auf den Diskurs gespannt.

„Wann verabschieden wir uns aus Technologien, mit welchen Konsequenzen und wie sehen dann die Alternativen aus? – Diese Fragen sollten gut abgewogen sein.“ Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management