08.11.2021 Technische Faszination für das „Unsichtbare“
Nach mehr als 40 Jahren in der Welt der Dichtungs- und Polymertechnik stelle ich fest, dass ich nach wie vor von der starken Anziehungskraft der Branche, ihren Produkten und Aufgaben fasziniert bin.
Diese Faszination geht so weit, dass ich unermüdlich versuche, vor allem junge Menschen – also die Nachwuchskräfte – für diesen Bereich zu begeistern. Was aber macht diese Faszination für mich aus? Die Dichtungs- und Polymertechnik ist so faszinierend, weil viele Trends erst mit Lösungen aus diesem Bereich umsetzbar sind. Obgleich zumeist immer noch fälschlicherweise als CTeile betrachtet – preislich gesehen mag das stimmen – liegt ihr Wert doch darin, dass sie verbinden, Funktion und Sicherheit gewährleisten, zum Umweltschutz beitragen etc. – also sehr vielschichtig sind. Dabei sind sie meist – im Vergleich zum Ganzen – klein, und doch entscheidend für die Funktion der Anlagen, Systeme, Komponenten. Faszinierend ist auch, dass es immer weniger Standard gibt und die Lösung meist auf die jeweiligen Anwendungen abgestimmt werden muss. Diese Lösungen zu finden, bedeutet aber auch, dass man systemisch in einem großen Parameternetz denkt und offen ist, permanent dazuzulernen. Täglich werden neue Optionen entwickelt und der Erfahrungsschatz wächst. Dabei wird er durch neue Anforderungen immer wieder auf die Probe gestellt.
Ein Problem der „unbedeutenden C-Teile“ ist, dass die Faszination, die von ihnen ausgeht, kaum auffällt. Würden mehr Menschen die Anziehungskraft der Dichtungs- und Polymerwelt erkennen, wären z.B. das Standing der Fachkräfte in Konstruktion, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Qualitätssicherung, Fertigung, Vertrieb etc. und das Image bzw. die Wahrnehmung ihrer Unternehmen besser. Denn auch diese Branche hat Probleme mit der Situation am Fachkräftemarkt. Es reicht für die Zukunft nicht, dass wahrscheinlich (fast) jeder, der längere Zeit in diesem Bereich gewirkt hat, ihm fasziniert treu bleibt. Das hat zwei Gründe: Erstens werden mehr Expert:innen gebraucht und zweitens ist Fachwissen in diesem Bereich meist personengebunden – und kann damit auch leicht in den Ruhestand verschwinden. Dieses faszinierende Wissen und diese Erfahrung gilt es, nachhaltig zu nutzen, denn es liefert immer noch Impulse für Entwicklungen, die wir morgen brauchen werden und die über ihre Faszination junge Menschen für die Dichtungs- und Polymertechnik begeistert. Aus heutiger Sicht können wir stolz auf die Leistungen unserer Entwickelnden und Expert:innen in diesem Bereich sein. Aber wir brauchen viele neue Impulse für Antworten auf aktuelle technische Fragestellungen.Wir brauchen mehr Leute, die das „Kribbeln im Bauch“ bei der Entwicklung und/oder Realisierung einer neuen Lösung immer wieder erleben wollen. Dafür bieten sich hier täglich Möglichkeiten. Zwar gehen wir vom Grundansatz her in der Dichtungs- und Polymertechnik sehr nüchtern und überlegt vor. Fakten, mathematische Berechnungen, Analysen, Kennzahlen sind anfangs die bestimmenden Faktoren bei Projekten. In vielen Fällen bewegen wir uns aber sehr schnell im Bereich von „Trial and Error“ und versuchen, uns an die optimale Lösung heranzutasten – und siehe da, durch die Kombination unterschiedlichster Werkstoffe ergeben sich Lösungen, die vorher nicht erwartet wurden und nun Realität sind. Die Dichtungs-, Kleb-, Polymertechnik ist also eine Welt, in der man auf viele faszinierende Menschen, mit begeisternden Geschichten und einem sehr reichen Erfahrungsschatz trifft. Die notwendige Offenheit und Kreativität in Bezug auf neue Wege und Lösungen übt eine unglaubliche Anziehung aus. Wir sollten nur viel öfter von unserer Faszination sprechen und andere dafür begeistern. Wie sehen Sie dies? Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen und Impulse.
„Auch Teile, die man gerne übersieht, können sehr faszinierend sein.“ Karl- Friedrich Berger, Gesellschafter, ISGATEC GmbH