Sticky Workforce“ – Innovationsgeschwindigkeit in VUCA-Zeiten aufrechterhalten

(Bild: Adobestock_jirsak)

16.11.2022 Sticky Workforce“ – Innovationsgeschwindigkeit in VUCA-Zeiten aufrechterhalten

von Dr. Evert Smit (Afera, The European Adhesive Tape Association)

Wenn Sie heute Mitarbeiter:innen und Management – nicht nur in der Klebbranche – fragen, was die Top-3 Probleme sind, die ihre Unternehmen am meisten beschäftigen, bin ich mir sicher, dass diese Themen bzw. Fragen kommen:
• Lieferkettenprobleme – was bekommt man wann, in welcher Qualität und zu welchen Preisen?
• Rohstoffpreisentwicklung – wenn man sie bekommt, um wieviel teuerer sind sie als gestern?
• Energiekrise – werden wir diesen Winter genug Energie zu einem Preis haben, den wir uns leisten können?“

Bei dieser Betrachtung werden jedoch leider –wie üblich – die beiden längerfristigen Themen vergessen, die in den kommenden Jahren über Erfolg oder Misserfolg unserer Branche entscheiden werden. Das sind Themen, deren Umsetzung nicht aufgeschoben werden kann. In meiner letzten Kolumne habe ich die Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft als treibende Kräfte für die Zukunft hervorgehoben. Dieses Mal möchte ich mich auf den „Antrieb“ selbst konzentrieren: Wer tritt mit uns die Reise an? Das ist für die Klebstoff- und Klebebandbranche besonders relevant, da wir zwar eine Zukunftstechnologie repräsentieren, aber – sind wir einmal ehrlich – nicht per se wirklich „sexy“ sind. Die Bindung und Gewinnung von Mitarbeiter:innen sollte eigentlich die oberste Priorität des Managements, bei den Themen, die es beschäftigt, haben. Denn ohne engagierte Mitarbeiter:innen ist ein Unternehmen nur eine leere Hülle. Und wir sollten aufhören, nur nach Talenten zu suchen. Wir haben heute einen Arbeitnehmermarkt, d.h. die jungen Menschen wählen aus der Vielzahl potenzieller Unternehmen. Und wir sollten uns auch hüten, das zunehmend komplexe Berufsleben einfacher zu machen als es ist, nur um Leute zu halten. Was wir brauchen ist eine wirklich sticky workforce, also treue Belegschaft – bestehend aus Menschen mit einem offenen Geist und einer „jungen“ Denkweise. Wichtig sind die diejenigen, die die erforderlichen Veränderungen vornehmen können und wollen. Bei Afera haben wir den Schwerpunkt der Konferenz 2019 auf die Arbeitskräfte der Zukunft gelegt, um die Bedeutung zu unterstreichen. Wohlgemerkt, diese Menschen können 26 oder 61 Jahre alt sein, solange sie mit dem VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) der heutigen Welt umgehen können. Viele werden jedoch durch „4 modifizierte P´s“ und hier sind nicht die „Marketing-P´s“ gemeint, sondern durch Prozesse, Verfahren, Protokolle und altmodisches Management ausgebremst. In unserer Branche mehr als in vielen hipperen und größeren Branchen – d.h., unserer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Das erfordert neue Wege.

Im Management geht es heute viel zu sehr um Prozesse, statt um Inhalte. Wunderschön gestaltete Prozesse, fantastische Gantt-Diagramme, beeindruckende Charts und eine ganze Reihe von durchdachten KPIs sind oft mehr Schein als Sein. Und dann all der Controlling-Schnickschnack – als ob wir für die Zukunft des Klebens Mitarbeiter:innen für Jobs in der Buchhaltung suchen. Aber bitte nicht falsch verstehen: Sorgfältige Protokolle sind wichtig, um sicherzustellen, dass nichts schief läuft. Sie stellen aber nie sicher, dass neue Wege eingeschlagen werden oder dass die Dinge richtig laufen. So sind z.B. Zeiterfassung und -registrierung nicht mehr nur Werkzeuge, sondern sie sind Ziele geworden – bald leider auch gesetzlich geregelt. Machen wir uns nur eine kleine Tatsache bewusst: Unsere Gehälter werden pro Arbeitsstunde gezahlt. Wir haben Gehaltsstufen, die auf der Position beruhen. Wir werden also nicht für das bezahlt, was wir leisten. Begonnen hat dieser seltsame Mechanismus wohl Anfang des 20. Jahrhunderts, als (Anwesenheits-)Zeit = Geld gesetzt wurde. Alles wurde und wird monetarisiert. Was für eine erbärmliche Sicht auf das (Arbeits-)Leben. Dabei führt auch die Betrachtung von Menschen als „wertvollstes Gut“ eines Unternehmens in die Irre, denn Menschen sind kein Gut. Und gerade mit Blick auf den jüngeren Teil einer Belegschaft müssen wir uns einer weiteren Tatsache bewusst werden: In den hierarchischen Kulturen, in denen ihre Eltern aufgewachsen sind, führten Monetarisierung und Shareholder-Value-Denken zu Entlassungen, wenn die Gewinne nicht die willkürlichen Zielvorgaben erreichten. Viele haben dies in ihren Familien erlebt. Daher ist das Vertrauen in die Arbeitgeberseite sehr gering – woher das wohl kommt? Dies alles führt mich zu den erwähnten 4 P‘s. Die sind nicht geeignet einen Kurs zu ändern, sie dienen dazu, einen Kurs zu halten oder zumindest die Kursänderung zu verlangsamen. Damit sind sie heute obsolet, denn die Zukunft ist keine Verlängerung der Vergangenheit mehr und wird es auch nie wieder sein. VUCA – damit müssen wir uns auseinander- setzen: Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität. Bob Johansen hat im Jahr 2007 eine großartige Alternative vorgeschlagen: Vision, Verstehen, Klarheit und Anpassungsfähigkeit. Im Gegensatz zu „meiner Generation“ sieht die jüngere all das oben Genannte und ist weniger geneigt, „alles zu tun, was nötig ist, um den Job zu erledigen“ oder „110% zu geben“. Sie wissen, was die Welt ihnen anderswo bieten kann. Sie werden entweder nicht kommen, es sich leichter machen („stilles Kündigen“) oder gehen. Was davon am Schlimmsten ist, kann jeder für sich entscheiden.
Wir müssen also überdenken, wie wir Menschen in unserer wichtigen Branche halten und wie wir sie „sexy“ machen. Dabei sind weniger Management und Bürokratie, ein Ende der neofeudalistischen Managementpyramiden, mehr Vertrauen und weniger Aufsicht zentrale Stellschrauben. All das haben wir während der Pandemie mit guten Ergebnissen praktiziert. Das bedeutet
aber auch: Schluss mit dem Irrsinn der Zeiterfassung, dem Tabellenkalkulationsmanagement und der Steuerung von Projekten ausschließlich anhand von KPIs. Kein Dashboard führt über eine unbekannte Straße zu einem unklaren Ziel, Vorstellungskraft schon. Wir müssen den Mitarbeiter:innen die Freiheit geben, die Herausforderungen auf ihre Weise zu lösen, den entsprechenden Rahmen schaffen und dafür sorgen, dass sie mehr Spaß an den jeweiligen Jobs in der Klebbranche haben. Verbreiten sich diese Neuigkeiten, kommen auch mehr Menschen, um mit uns die notwendigen Entwicklungen voranzutreiben. So wird Zukunft erschaffen – und das in unserer Branche. Und zum mSchluss können Sie sich für der Soundtrack zur Zukunft ein Lied aussuchen*:
• Road to Nowhere (Talking Heads)
• Highway to Hell (AC/DC)
• Stairway to Heaven (Led Zeppelin

* Anm: Gemeint sind jeweils nur die Titel, die Inhalte der Lieder können irreführend verstanden werden und werden auch teilweise kontrovers diskutiert

Nette Lektüre zu VUCA

Evert Smit, Präsident, AFERA
„Eine klebrige und zukunftsorientierte Belegschaft ist für die Unternehmen der Klebbranche mindestens so wichtig wie Lieferketten, Rohstoffpreise und die Energieversorgung.“ Evert Smit, Präsident, AFERA

Lösungspartner

Afera, The European Adhesive Tape Association
Afera, The European Adhesive Tape Association

 

Themen

Kleben

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb