Sackgassen verlassen

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28.05.2024 Sackgassen verlassen

von Dr. Evert Smit (Afera, The European Adhesive Tape Association)

n meiner letzten Kolumne habe ich – zugegebenermaßen etwas dystopisch – die verschiedenen Phasen beschrieben, die Menschen und Unternehmen durchlaufen, wenn sie zu Veränderungen gezwungen werden –entweder durch Vorschriften oder durch den Druck von Kunden und Kolleg:innen.

Diesmal möchte ich ein wenig tiefer in die wirklichen Probleme einsteigen, mit denen die europäische Klebebandindustrie zu kämpfen hat, während sie sich auf eine „grünere“ Zukunft vorbereitet. Dabei stütze ich mich auf Erfahrungen aus den letzten Monaten. Dabei habe ich u.a. festgestellt, dass aktives und unvoreingenommenes Zuhören wirklich einen gemeinsamen Weg nach vorne ebnet. Anderseits führt es bei Debatten in Sackgassen, wenn niemand wirklich zuhört. Wenn man diesen Aspekt berücksichtigt, versteht man auch, warum Menschen und Unternehmen bei plötzlichen „grünen“ Veränderungen auf der Stelle treten.

Dabei gibt es verschiedene Wege in eine Sackgasse. Da ist zunächst die Fehlinformation. Einige große Akteure in der Wertschöpfungskette, die den Druck dieser grünen Veränderungen zu spüren bekommen, sorgen aktiv dafür, dass es für alle schwieriger wird, Notwendigkeit und Weg zur Umweltverantwortung klar zu erkennen. Es gibt zwei Bücher, deren Lektüre ich an dieser Stelle sehr empfehle: „Silent Spring“ von Rachel Carson (wohlgemerkt, es ist schon von 1962!) und „Merchants of Doubt“ von Oreskes und Conway. Dort werden die angewandten Taktiken beschrieben und lassen uns – hoffentlich – kritischer werden.

Ein weiterer kritischer Punkt, dessen Tragweite mir erst vor Kurzem in vollem Umfang bewusst wurde, ist der Informationsrückstand – einerseits grundsätzlich, aber ebenso in Diskussionen: Die Menschen, die neue Ideen für eine nachhaltigere Zukunft oder ein zukünftiges, besseres Wirtschaftsmodell (ich plädiere nicht für mehr Wachstum, sondern für einen höheren Wert) vorstellen, hatten lange Zeit, über ihre Ideen und Konzepte nachzudenken. Aber für diejenigen, die dies gerade zum ersten Mal hören, ist es – je nach Change-Potenzial der Konzepte – teilweise wie ein „kalter Schlag“. Und schon gehen die Mauern hoch. Es wird nicht mehr zugehört. Wenn man Menschen aber auf eine gemeinsame Reise mitnehmen will, gilt es, dies zu berücksichtigen – insbesondere, wenn diese Reise mit Change auf allen Ebenen verbunden ist.

Meine Haltung zu altmodischen Glaubenssätzen, wie knallharten Wirtschaftstheorien – hallo, Neoliberalismus! – und dazu, wie verschiedene Menschen mit Risiken umgehen, ist bekannt. Diese Haltungen werden das Einschlagen neuer, nachhaltiger Wege zu einer wirklich harten Arbeit machen. Aber wenn man sich der Aspekte des „Informationsrückstands“ und des Ansatzes zur Überzeugung durch Mitnehmen bewusst ist und danach handelt, kann man im Sinne der Sache etwas bewirken. Und es funktioniert – mehr dazu beim nächsten Mal. Dabei gibt es auch kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen. Lassen Sie uns einen Streifzug durch die europäische Klebebandszene machen: Die vorsichtigen Deutschen, die wagemutigen Niederländer, die Hersteller von Handelsware in Südeuropa etc. – jeder hat seine Märkte, seine Herausforderungen und Bedürfnisse. Mit Blick auf eine „grünere“ Zukunft gibt es also keine Einheitsrezepte, sondern jeder muss Raum für seine Entwicklung zu einem gemeinsamen Ziel haben.

Dies wird auch beim Kampf gegen Fehlinformationen wichtig. Es gilt, die Willigen an Bord zu holen. Das sind die, die unserer Zukunft nicht nur mit offenen Augen, sondern auch mit offenem Herzen entgegengehen und bereit sind, die vor uns liegenden Möglichkeiten anzunehmen. Auf dieser Basis der Einigkeit und Zusammenarbeit können Anstrengungen bewältigt werden, die vor uns liegen. Und das fängt u.a. mit dem Übergang vom „bloßen Zuhören“ zum „aktiven Zuhören“ an.

Wir brauchen Raum, in dem jede Stimme einen Beitrag leisten und ihre Wirkung entfalten kann. Wir sollten uns auf verschiedenen Ebenen bemühen, mehr und mehr Menschen an Bord zu holen, und offen zur Zusammenarbeit und Mitgestaltung einladen. Dazu gehört dann auch, dass wir uns auf einen sinnvollen Diskurs einlassen und unterschiedliche Perspektiven wertschätzen. Manchmal gibt dann eins plus eins drei. Der ein oder andere denkt jetzt sicher: eins und eins gibt niemals drei. Wenn man Zahlen addiert, stimmt das. Wenn wir Menschen mitnehmen und für neue Wege begeistern, ist das aber keine Rechenaufgabe. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, betreffen uns alle, und nur gemeinsam können wir die wirklich transformativen Lösungen finden, die unsere Branche und unsere Welt brauchen.

Vielen Dank an Waltraud Gläser (https://www.vuca-world.org/) und Spyros Kollas (siehe z.B. https://www.linkedin.com/comm/newsletters/7132646013147709441) für die inspirierenden Diskussionen, die mich lernen und wachsen und mich die VUCA-Welt immer besser verstehen lassen.

Dr. Evert Smit, President AFERA
„Wir brauchen auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft und bei der Überwindung aktueller Sackgassen eine andere Form des Zuhörens.“ Dr. Evert Smit, President AFERA

Lösungspartner

Afera, The European Adhesive Tape Association
Afera, The European Adhesive Tape Association

 

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb