26.09.2018 "Reserven sind Verschwendung"
– oder: Unsinnige Reserven bringen kein „Mehr“ an Sicherheit, sondern schaden dem Klebeprojekt
Kein vernünftiger Mensch plant „auf den letzten Tropfen“ – fährt z.B. den Tank seines Autos komplett leer. Nein, die meisten denken und agieren in und mit Reserven. Dieses Denkmodell, das eigentlich unser ganzes Arbeiten durchdringt, trägt allerdings auch „Verschwendung“, die zu unlösbaren Problemen führen kann, in sich … wieso ?
Ich kenne Anforderungen an Klebstoffverbindungen, die nicht erfüllt werden können, die „unlösbar“ sind. Da ist dann z.B. die Rede von Temperaturbeständigkeiten von mehreren hundert Grad Celsius. Hinterfragt man die Anforderungen, stellt sich heraus, dass jeder Beteiligte in der Kette eine Reserve aufgeschlagen hat. Alleine der dem Maschinenbauer geläufige Begriff der „doppelten Sicherheit“ sorgt – falsch angewandt – schnell für eine Überforderung von Klebstoffen … wieso? Was als Einbau redundanter Systeme (doppelte Sicherheit, dreifache Sicherheit etc.) gedacht ist, macht hier aus 80 °C konsequenterweise 160 °C – und schon wird es kritisch. Schlägt dann der eine oder andere an der Produktentwicklung Beteiligte – ohne Kenntnis der bereits vorhandenen Reserven – noch weitere, aus seiner Sicht erforderliche Reserven drauf, sind wir schnell bei > 200 °C oder gar > 300 °C. In der Praxis bedeutet das: keine Chance für organische Klebstoffe. Die 80 °C schaffen sie und je nach ausgewähltem Klebstoff sind hier auch erfreulich hohe Festigkeiten erzielbar. Schauen wir uns aber die 80 °C genauer an, stellt man öfters fest, dass hier schon die im Betrieb maximal auftretenden Temperaturen angesetzt wurden. Eine unter Umständen kurzzeitig auftretende Temperaturspitze, während die „normale“ Temperaturbelastung dann etwa bei 50 °C liegt. Ähnliches finden wir auch bei der Berechnung von Klebeflächen. Die erreichbare Festigkeit je mm² für den jeweiligen Klebstoff entnehmen wir dem Datenblatt, die geforderte Festigkeit für das zu klebende Bauteil dem Lastenheft und schon können wir die Klebefläche berechnen. Bis hierher haben wir alles richtig gemacht! Aber jetzt kommen “Fail Safe“- Überlegungen dazu oder Bedenken, was die Qualität der Vorbehandlung oder die der Verarbeitung insgesamt betrifft, und wir verdoppeln die Klebefläche – “sicher ist sicher“ – und schon sind wir schnell im Bereich der Verschwendung und nicht mehr im Bereich Sicherheit durch Reserven.
Mein Lesetipp: „Unkontrolliertes Versagen verhindern“ aus DICHT! 1.2018
Damit aus Reserven Sicherheit und und keine Verschwendung wird, müssen sie über den gesamten Produktent-stehungsprozess hinweg bekannt sein und sinnvoll bewertet werden. Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management