„Moderner Adel“

(Bild: AdobeStock_ Tommy Larey)

28.05.2024 „Moderner Adel“

von Karl-Friedrich Berger (ISGATEC GmbH)

Wenn ich unsere heutige Gesellschaft und die Rahmenbedingungen, in denen wir wirtschaften, reflektiere, fühle ich mich manchmal an Erzählungen der früheren Jahrhunderte erinnert.

Auch heute reiten Politiker „hoch zu Ross“ quasi wie ein neuer Adel durch das Land und weisen den Weg zur großen Zeitenwende. Bei dieser Transformation der Industriegesellschaft ist für viele im Volk kein Gesamtkonzept erkennbar. Heute wie damals setzt man auf viel Symbolik und mächtige Bauwerke: Früher bevorzugt Kirchen und Paläste, heute unzählige Windräder und zahllose Photovoltaikanlagen. Von vielen werden sie als Verschandlung der Landschaft empfunden und ihr Nutzen nicht wirklich verstanden. Die „Symbole der neuen Zeit“ sind halt noch kein Konzept für die Zukunft. Insbesondere, wenn es z.B. an den notwendigen Leitungen für die Verteilung und an Speicherkonzepten fehlt und es nicht abzusehen ist, wann die notwendige Infrastruktur hierfür vorhanden sein wird. Damit kein falscher Eindruck entsteht – ich finde den Aufbruch in eine „grünere“ Welt wichtig und richtig. Ich möchte nur mitgenommen werden. Aber wie damals werden wir Bürger – im Mittelalter mehrheitlich Bauern und Leibeigene – nicht mitgenommen. Bezahlt wurde/wird alles – damals wie heute – aus der Arbeitskraft der jeweiligen Gesellschaft. Auch wir arbeiten heute ca. ein halbes Jahr für Abgaben und Steuern, die dann von der Politik genutzt werden. Was sich auch nicht geändert hat – zwischenzeitlich war es mal besser – ist das Verhältnis der Staaten untereinander, ihre kriegerischen Auseinandersetzungen, die die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften verschlechtern. Auch der Umgang mit begrenzten Ressourcen wirft – heute wie damals – bei vielen Fragen auf. Wofür geben wir unser Geld, das von den politischen Entscheidern verteilt wird, aus und warum brauchen wir dafür immer mehr Bürokratie? Wie damals Adelige haben auch Politiker mehrheitlich keine fachliche Befähigung oder Ausbildung für die Themen, die sie bearbeiten. Dieser Umstand wird immer wieder kritisiert, es ändert sich nur wenig.

Gleiches gilt für eine fehlende Nähe zu den Bedürfnissen der Bevölkerung. Dieses Wissen wäre aber hilfreich für Politiker, um eine Gesellschaftsentwicklung, die derzeit ange­stoßen wird, zu gestalten und das Volk mitzunehmen.

Auf die Dichtungstechnik übertragen stelle ich mir hier folgendes Szenario vor: Wenn heute ein Anbieter zu einem Kunden geht und sagt: „Ihre Dichtstellenspezifikation interessiert mich eigentlich nicht, wir haben da aber eine ganz tolle und zukunftsweisende Idee“, und auf die Frage: „Nett, aber wie bringe ich die in Einklang mit unseren Anforderungen?“, wird geantwortet: „Das wird schon funktionieren, das ist die Zukunft.“ – ich denke, wenn er nur vom Hof gejagt wird, hat er Glück.

Damals wie heute gibt es Regeln für Zusammenleben und Wirtschaften. Das ist gut und richtig. Allerdings kommt mir heute manchmal der Gedanke, ob nicht hinter den ganzen neuen Gesetzen und Regelungen, deren Einhaltung im „Bereich Dichten. Kleben. Polymer.“ inzwischen durchaus eine Herausforderung ist, mehr eine Beschäftigungsstrategie als ein Masterplan für eine bessere Zukunft steckt. Bei Themen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, der PFAS-Regulierung, der Elastomerverordnung etc. kann ich derzeit keinen wirklichen Mehrwert erkennen. Wenn er da ist, fühle ich mich nicht mitgenommen. Wir sind damit beschäftigt, Dokumente und Nachweise zu erstellen, was uns von unserer eigentlichen Beschäftigung, Ressourcen und Mehrwert für den Wohlstand unserer Industriegesellschaft zu generieren, abhält.

Aber eines hat sich vielleicht geändert: Der Adel war bemüht, das Volk auf Abstand zu halten. Kreativität, Initiative, Neuentwicklungen, Eigenverantwortlichkeit waren nicht gewünscht, das Volk sollte dem Adel folgen und den Herrschern treu dienen. Das ist heute nicht mehr ganz so…

Karl Friedrich Berger, Gesellschafter, ISGATEC GmbH
„Die da oben" ist Populismus, ich weiß, aber „die da unten" sollten endlich mitgenommen werden. Wir haben uns ja gesellschaftlich weiterentwickelt." Karl Friedrich Berger, Gesellschafter, ISGATEC GmbH

Lösungspartner

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb