18.09.2017 Mit „Welpenschutz“ in die Rente
Professor Dr. Werner Haas verabschiedet sich aus dem aktiven Dienst für die Dichtungstechnik
Nach 40 Jahren Dichtungsforschung, -lehre, -schäden und -lösungen ist es Zeit für ein Fazit. Über immer noch zu knappe Ressourcen und den Stand der Dichtungstechnik unterhielt sich DICHT! mit Professor Dr. Werner Haas, Leiter des Bereichs Dichtungstechnik am Institut für Maschinenelemente (IMA) der Universität Stuttgart, der im Oktober in den Ruhestand geht.
Mit dem Wechsel der Bereichsleitung Dichtungstechnik am IMA werden de facto auch wieder einmal die wissenschaftlichen Ressourcen reduziert. Wie wird sich dies auf Forschung, Ausbildung und Wissenstransfer auswirken?
Was zunächst einerseits empfindlich fehlen wird, ist meine Arbeitskraft, die ganz selten nur bei den geforderten 41 Stunden pro Woche liegt und lag. Auf der anderen Seite wird mein Ausscheiden schon seit Jahren so organisiert, dass es ohne „Bruch“, sondern „in voller Fahrt“ vonstattengehen wird. Die Dichtungstechnik am IMA wird zukünftig von Dr.- Ing. Frank Bauer geleitet. Wenn er seine Habilitation vollends durchgezogen hat, hat er die gleichen Möglichkeiten und denselben Status wie ich. Ihm zur Seite steht Dipl.-Ing. Lothar Hörl. Beide sind seit mehr als 15 bzw. 20 Jahren meine leitenden Mitarbeiter und haben denselben Wissensstand wie ich. Dr. Bauer leitet das große Wellendichtungs- und das Berechnungsteam, Herr Hörl ist für die linearbewegten, druckbelasteten und statischen Dichtstellen zuständig. So wird es vorerst auch bleiben. Hinzu kommen derzeit 13 akademische Mitarbeiter, darunter zwei erfahrene Postdocs. Diese Mitarbeiter werden nicht vom Staat bezahlt, sondern aus Drittmitteln finanziert, die von meinen Mitarbeitern und mir eingeworben werden. Das gut geplante Vorgehen führt also dazu, dass durch mein Ausscheiden nur geringfügig Wissen und etwas „Alterfahrung“ verloren gehen. Unser
Knowhow zu halten, ist zwingend notwendig, da Dichtungstechnik keine Methoden- sondern eine Erfahrungswissenschaft ist und wohl auch bleiben wird.
Bei den steigenden Anforderungen an Dichtungen und ihre Bedeutung kann man ja hier wohl nicht von einer glücklichen Weichenstellung reden?
Das ist grundsätzlich richtig, aber es ist mit Abstand das Beste, was unter den gegebenen Randbedingungen zu erreichen war. Und mein Institutsleiter Professor Dr. Bernd Bertsche und ich sind genau genommen stolz darauf, es so hingekriegt zu haben. Denn die ungünstige Weichenstellung geschah bereits im letzten Jahrhundert. Anfang 1990 verfügte die Landesregierung den sogenannten Solidarpakt und die Universitäten wurden gezwungen, massiv Stellen abzubauen.
Dieser Aktion fiel auch die Stelle meines Vorgängers und Lehrers Professor Dr. Heinz Konrad Müller zum Opfer. Die Gremien der Universität Stuttgart fanden eine Professur für Dichtungstechnik – übrigens die einzige in Deutschland – wohl nicht so wichtig. Old Economy eben. Und der „Aufschrei“ der Dichtungsbranche und der Anwender blieb weitgehend aus oder war zu leise. So wurde 1995 mit dem Ausscheiden von Professor Müller die Leitung der Dichtungstechnik am IMA mir, einem Angehörigen des akademischen Mittelbaus, übertragen und gleich auch noch einer von zwei akademischen Mitarbeitern wegrationalisiert, die vom Land
bezahlt wurden. Diese Weichenstellung ist noch immer Fakt und sie ist aus Industriesicht unglücklich, denn Dichtungen sind wichtige Elemente aller technischen Systeme. Ohne sie geht es nicht.
„Wirklich negativ überrascht hat mich die öffentliche Forschungsförderung. Dass diese von einer akzeptablen Erfolgsquote über viele Jahre, fast schlagartig auf nahezu Null in der Dichtungs- und Fluidtechnik gesunken ist und Gutachter den teilweise offensichtlichen Forschungsbedarf, z.B. für die Elektromobilität, einfach negieren, hätte ich nicht für möglich gehalten. Da bin ich dummerweise im Alter von fast 63 Jahren noch eines Besseren belehrt worden.“ Professor Dr. Werner Haas, Leiter Bereich Dichtungungstechnik, IMA, Universtität Stuttgart