30.10.2019 Metallische Hochleistungswerkstoffe für Dichtungen
Duplexstähle: Grundlagen und Hinweise zur Anwendung
Die Eigenschaften von Metallen in Dichtungen und Dichtstellen haben u.U. großen Einfluss auf die Dichtheit von Anlagen, werden aber selten thematisiert. Ihren Einfluss zu kennen, erspart Überraschungen.
Rostfreie Duplexstähle sind eine Stahlgruppe mit hoher Korrosionsbeständigkeit und guter Verarbeitbarkeit. Die physikalischen Eigenschaften liegen zwischen denjenigen der ferritischen und austenitischen Stähle, tendieren aber bezüglich ihrer Festigkeit eher zu den ferritischen, verbunden mit der guten Duktilität und Zähigkeit der Austenite. Die Korrosionsbeständigkeit gegen chlorinduzierten Angriff infolge von Loch- und Spaltkorrosion hängt vom Chrom-, Molybdän-, Wolfram,- Stickstoff- und Kupfergehalt ab. Sie ist in erster Linie mit der Beständigkeit von 1.4401 / 316 / X5 CrNiMo 17-12-2 vergleichbar, kann aber auch höher, z.B. für spezielle Meerwasserbeständigkeit, liegen. Alle Duplexstähle verbindet die hohe Beständigkeit gegen chlorinduzierte Spannungsrisskorrosion. Einen schematischen Stammbaum zeigt Bild 1.
Die mechanische Bearbeitung zeigt viele Ähnlichkeiten mit den Austeniten. In der Wärmeeinflusszone der Schweißnähte ist die Zähigkeit wegen des hohen Ferritanteils des heterogenen Gefüges begrenzt. Zu unterscheiden sind Duplexstähle von Dualphasenstählen einerseits nach Volumenanteilen der Gefügephasen, andererseits über die Gefügezusammensetzung. Duplexstähle haben ein ferritisch-austenitisches Mischgefüge mit nahezu gleicher Aufteilung, tendenziell mit einem leichten Übergewicht an Austenit zur Optimierung der Zähigkeitseigenschaften, Dualphasenstähle haben ein ferritisch-martensitisches Gefüge. Duplexstähle besitzen nach der Herstellung nahezu gleiche Volumenanteile an ferritischem und austenitischem Gefüge, Dualphasenstähle haben dagegen etwa 80 bis 90% Ferrit und nur 10 bis 20% Martensit oder andere härtere Phasen, was insbesondere zu deren hoher Festigkeit führt. Insbesondere bei schwellenden oder wechselnden Belastungen ist aber mit sprödem Dauerbruch zu rechnen. Auch die Beständigkeit ist durch die Bildung von Seigerungen gefährdet.
Durch die Schaffung von Low-Carbon-Qualitäten zur Vermeidung von Bildung von Sonderkarbiden sowie durch das Zulegieren von Stickstoff (insbesondere in Duplexstählen der zweiten Generation) erreicht man vergleichbare Zähigkeit und Beständigkeit zum Grundwerkstoff. Austenitstabilisierung unterbindet die unerwünschte Bildung intermetallischer Phasen. Die Wechselwirkungen der Hauptlegierungselemente Chrom, Nickel, Molybdän und Stickstoff sind komplex. Die Anforderungen hinsichtlich der Verarbeitung (insbesondere thermische Prozesse) zur dauerhaften Erhaltung des
Phasenungleichgewichts unter Vermeidung der Bildung von intermetallischen Phasen (Sigma- und Chi-Phasen bei Stählen mit hohem Chrom- und Molybdängehalt) sind entsprechend anspruchsvoll. Die Zulegierung von Stickstoff verlangsamt die Prozesse.
Die Erschließung von Öl- und Gasfeldern in den 70er Jahren beschleunigte die Entwicklung nichtrostender Stähle. Der Duplexstahl 1.4462 / 329J3L / X2 CrNiMoN 22-5-3 stellt heute den Standardwerkstoff mit einem Anteil von etwa 80% des dortigen Bedarfs. Die hohe Festigkeit war Triebfeder der Entwicklung und erlaubt verringerte
Wandstärken und damit Gewichtseinsparung auf den Plattformen.
Typische Anwendungen für Duplexstähle sind:
• Öl- und Gasförderung und -verarbeitung
• Herstellung und Transport von Biokraftstoffen
• Rauchgasentschwefelung
• Meerwasserentsalzungsanlagen
• Nahrungs- und Genussmittel sowie Pharmazeutika
• Bauwesen
Absichtlich zugesetzte Legierungselemente und zufällig vorhandene ungewollte Restbegleiter verändern die Eigenschaften des Basismetalls Eisen im Stahl teilweise nachhaltig. Nicht nur die Gleichgewichtstemperaturen in den entsprechenden Phasendiagrammen und dadurch das Umwandlungsverhalten, sondern auch die Gebrauchs- und Beständigkeitseigenschaften können in weiten Bereichen beeinflusst werden, wie z.B. mechanische Eigenschaften wie Festigkeit, Härte, Zähigkeit, sowie thermische und chemische Beständigkeit (Materialabtrag durch Korrosion). Der thermische Ausdehnungskoeffizient sowie die Duktilität (kein Steilabfall der Kerbschlagzähigkeit – keine Kaltversprödung – z.B. bei austenitischen Stählen ist insbesondere bei kryogenen Anwendungen und drucktragende Teile erforderlich) werden nahezu ausschließlich über die Gitterstruktur (kubisch flächenzentriert bei Austeniten oder kubisch raumzentriert bei Ferriten) beeinflusst.