12.03.2024 Kleben und Kreislaufwirtschaft passen nicht zusammen – falsch!
Für relativ viele Menschen passen Kleben als Verbindungstechnik und Kreislaufwirtschaft nicht zusammen. Warum? Naja, die Klebstoffindustrie spricht von hochfesten, dauerhaften, belastbaren Klebverbindungen.
Wer also zwei Teile verklebt, denkt naturgemäß eher an die Dauerhaftigkeit dieser Verbindung als an die Trennung beim Recycling. Und trotzdem wird seit Jahrzehnten geklebt und bei der Konstruktion der Verbindung bereits die Trennung der gefügten Teile mitbedacht. Prominentestes Beispiel sind sicher die geklebten Fahrzeugscheiben – vor 50 Jahren noch eine ungewöhnliche Lösung, die heute Standard ist. Ich verzichte hier darauf, die Vorteile der geklebten Scheiben aufzulisten, sondern bleibe beim Thema Trennung der Klebverbindung – schließlich wirft niemand ein Auto oder gar ein Schienenfahrzeug weg, weil die Frontscheibe beschädigt ist. Nein, hier wird mit geeignetem Werkzeug die Klebstoffschicht durchtrennt, eine neue Scheibe wird eingeklebt und die am Fahrzeug verbliebene Klebstoffschicht dient oft als „Primer“. Wer sich an die Anfänge erinnert, wird bestätigen: Das Ausglasen war ein wichtiges Thema im Lastenheft bei der Entwicklung von Scheiben-Klebstoffen. Wichtige Lehre aus diesem Beispiel: Konstruktion und Entwicklung müssen nur früh genug an die Reparatur oder das Recycling denken, dann ist Kleben hervorragend für Verbindungen geeignet, die auch wieder getrennt werden sollen.
Marlene Johler von Mind X definiert: „Circular Economy ist ein Wirtschaftsmodell, das per Design regenerativ ist. Es fußt auf dem Gedanken, dass Müll und Umweltverschmutzung Designfehler der Produkte sind.“ Mit dem richtigen Design, der richtigen Konstruktion ist der eingangs angesprochene Widerspruch lösbar. Am 30. August 2023 veröffentlichte der IVK, der Industrieverband Klebstoffe e.V., ein Positionspapier, in dem zu lesen ist: „Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist weit mehr als nur Recycling und erfordert eine ganzheitliche Betrachtung des Produkt-lebenszyklus. Klare Prioritäten für das Erreichen der Ziele des europäischen Aktionsplans setzt das Kategorisierungssystem der EU-Kommission mit den R-Strategien. Dabei werden z.B. die Reduzierung des Einsatzes von Ressourcen und das Reparieren klar vor Recyceln eingeordnet.“ [2] Und in diesem Kontext spielt die Klebtechnik eine entscheidende Rolle. Kurz danach habe ich das erste doppelseitige Klebeband gesehen, das durch Überdehnung des Trägers eine einfache Trennung im Reparatur- oder Recyclingfall ermöglicht. Gerade jüngst habe ich ein anderes sehr bezeichnendes Beispiel gesehen: Polyester-Gewebe wurden bisher mit reaktivem PUR-HM geklebt – aus Sicht des sortenreinen Recyclings suboptimal. Flugs hat der Klebstoffhersteller den Klebstoff modifiziert und nun kommt ein reaktiver Polyester-Klebstoff zum Einsatz und schon ist sortenreines Recycling möglich. Gut, dass die Beteiligten die sich verändernden Anforderungen lösungsorientiert diskutiert haben. Wie so oft im Leben – „man muss halt miteinander reden“. Und seither sehe ich immer wieder neue Lösungen, bei deren Entwicklung die eventuell später notwendig werdende Trennung oder das sortenreine Recycling eingeplant wurden. Das macht mich zuversichtlich und bestätigt mich in meiner Wahrnehmung, dass Kleben und Kreislaufwirtschaft sich nicht ausschließen.
Literatur
[1] https://www.klebstoffe.com/ivk-positionspapier-klebtechnik-schluesseltechnologie-fuer-die-kreislaufwirtschaft/
„Kreislaufwirtschaft beginnt im Kopf, das ist beim Kleben nicht anders als bei jeder anderen Technologie und sie beginnt.“ Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management