13.11.2020 Ist die Verwendung von Primern noch zeitgemäß?
In den letzten Kolumnen habe ich mich mit der Vorbereitung der zu klebenden Flächen beschäftigt, mit dem Reinigen, den unterschiedlichen Vorbehandlungsmethoden und hier soll es jetzt um „Primer“ gehen.
Sie sind nicht immer vom Verarbeiter oder Anwender „geliebt“, denn beim Primern handelt es sich um mindestens einen zusätzlichen Arbeitsgang. Warum „mindestens“? Es gibt tatsächlich Anwendungen, bei denen zwei Primer zu verwenden sind – denken Sie nur an die klassische Scheiben-Einklebung, die auf Lackseite (Kunststoff) einen anderen Primer verlangt als auf der Glasseite (Glas oder Keramik). Hinzu kommt der Ablüftprozess, der zwingend einzuhalten ist und der die Anwendung zumindest verzögert.
Und trotzdem sind Primer bei manchen Klebstoffen und bei manchen Untergründen ein Muss! Denn Primern ist eine der Möglichkeiten, einer frühzeitigen adhäsiven Alterung vorzubeugen. Bei dynamischer Dauerbelastung werden die Bindungen des Klebstoffs zu der Oberfläche geschädigt und irgendwann zerstört. Eine passende Oberflächenbehandlung oder -vorbereitung kann dies verhindern oder zumindest verzögern. Primer können also mehrere Funktionen haben: zum Einen als Konservierung der Oberfläche, zum Anderen als Haftvermittler und speziell bei bauüblichen, stark saugenden Untergründen dienen Primer als Sperre oder zur Verfestigung der Oberfläche.
Allein aus diesem Funktionsspektrum lässt sich ableiten, dass die Eingangsfrage nicht einfach mit einem „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten ist. Auch wird deutlich, dass, wie immer beim Kleben, die eingesetzten Materialien, in diesem Fall Primer und Klebstoff, aufeinander abgestimmt sein müssen. „One for all“ oder einen „Universal-Primer“ kann es nicht geben. Und wenn Ihnen einer angeboten wird, dann sollten Sie mehr als skeptisch sein oder besser noch: „Finger weg“.
„Primer“ ist zudem ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Stoffe und sie interagieren im Klebsystem. Da Primer organischen oder anorganischen Ursprungs sein können, ergeben sich also Chancen (einige anorganische Stoffe wie Silane können in den Klebstoff „eingearbeitet“ werden), aber auch Risiken (einige organische Primer können die Temperaturbeständigkeit einer Klebung negativ beeinflussen). Es gibt lösemittel-basierte Primer, 1K- und 2K-Primer, kalthärtende und warmhärtende Primer etc. Wer also primern will oder muss, sollte sich darüber im Klaren sein, welche Funktion er braucht und welche anderen Faktoren bei Produktauswahl und Prozessgestaltung zu berücksichtigen sind. Nochmals die Eingangsfrage: „Ist die Verwendung von Primern noch zeitgemäß?“ Ja, aber ...
„Wo möglich, sollte man auf Primer verzichten, aber es geht nicht immer.“ Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management