29.11.2018 „Geiz ist geil“ – so ein Quatsch
Geiz ist geil“ – diese Werbekampagne eines Elektro-Anbieters hat leider längst nicht nur Eingang in unsere Alltagssprache gefunden, sondern hat sich auch als „Lebensphilosophie“ in den Gehirnwindungen vieler Mitmenschen eingenistet. Die Ergebnisse sind fatal: Der Wert der Dinge wird auf einen Aspekt reduziert und diese Denkweise wird reflexartig auf alles angewendet. Bei Klebstoffanwendungen lassen sich die Folgen gut beobachten.
Bei den meisten Klebstoffanwendungen, die ich kenne, liegt der Anteil des eingesetzten Klebstoffs bei < 1% der Herstellkosten eines Produktes und selbst bei klebstoff-intensiven Anwendungen werden 2% selten überschritten. Wenn es dann gelingt, den Klebstoffpreis um 10% zu drücken…
– über was reden wir dann eigentlich? Natürlich müssen wir in unserer modernen Industriegesellschaft auf Kosten achten. Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten im Einkauf Spezialisten „herangezüchtet“, die dies perfekt, doch meist eindimensional können. Aber der Klebstoff-Preis per Kilogramm ist kein Kriterium für ein erfolgreiches Klebprojekt. Glauben Sie mir.
John Ruskin (1819-1908, engl. Sozialreformer) griff das Thema schon vor mehr als 100 Jahren auf: „Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen kann und ein wenig billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Wenn Sie dies tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres mehr zu bezahlen.“
Wie recht er doch hat! Wir alle können dies aus eigener Erfahrung – sei es im Beruf oder im Privatleben – bestätigen. Die technische Eignung, die erzielbaren Festigkeiten im Vergleich zu den geforderten Werten, der Aufwand – und damit die Kosten – für die Verarbeitungen, inkl. Vor- und Nachbehandlung, sind Kriterien, die in eine Gesamtbetrachtung eingehen müssen, wenn wir dem Thema „Kosten“ gerecht werden wollen. „Geiz ist geil“ ist Quatsch. Nur schade, dass sich dieser Quatsch inzwischen in so vielen Hirnen eingenistet hat. Jeder sollte mal wieder in sich gehen und bei Bedarf ausmisten.
Leider erlebe ich es in der Praxis immer wieder, wie dieser „Slogan“ als manifestierte Denk- und Vorgehensweise in die Irre führt. Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management