09.09.2021 Forum: Dichtungsschäden minimieren
Entlang der Wertschöpfungskette gibt es viele Aspekte, die zu berücksichtigen sind
Dichtungsschäden sind ein heikles Thema und meistens werden sie nur im kleinen Kreis thematisiert. Um so erfreulicher war der rege Austausch der fast 50 Teilnehmer:innen beim 1. ISGATEC-Forum zu diesem Thema.
Schäden an Elastomerdichtungen, Formteilen und Profilen verursachen i.d.R. hohe, meist unnötige Kosten, Anlagenstillstände und Ärger. Bei der „Ursachenforschung“ wird es dann komplex, denn Dichtungsschäden können viele, ganz unterschiedliche Ursachen haben. Hier setzte das Online-Forum an und gab den Teilnehmer:innen entlang der Wertschöpfungskette einen breiten Überblick über mögliche Ursachen, aber auch Ansätze zur Schadensminimierung. Und wer mal der Meinung gewesen sein sollte, dass man Dichtungsschäden schnell auf den Grund gehen kann, wurde im Verlauf der zwei Halbtage eines Besseren belehrt.
Von der Konstruktion bis zum Einbau
Im ersten Vortrag wurden Veränderungen bei den vom O-Ring-Prüflabor Richter über mehr als zwanzig Jahre ermittelten Gründen für Schäden an Elastomerdichtungen aufgezeigt: Auf der Basis von 2.668 Analysen sind die Dichtungsschäden aufgrund mangelnder Medienbeständigkeit von 17,3 % auf 14,2 % und die Schäden aufgrund von Temperatur und Alterung von 25,3 % auf 19,9 % gesunken sind. Die meisten Schäden entstehen aktuell mit leicht steigender Tendenz durch mechanische und physikalische Einwirkungen. Dieser Wert ist von 47,1 % auf 47,8 % gestiegen. Die größte Steigerung um 81,6 % ist im Bereich der Herstellung festzustellen. Dieser Wert stieg von 9,9 % auf 17,8 % und zeigt dabei ein Problemfeld auf, das sich Anwender:innen genau anschauen sollten. Herstellungsfehler rücken also immer mehr in den Fokus. Wobei der Begriff „Fehler“ relativ ist, denn schon kleinste Mischungsänderungen aus den vielfältigsten Gründen – von der Einhaltung von Normen bis zum Ziel, Geld zu sparen – können große Auswirkungen haben, wie der Vortrag: „1,2 Mio. € Schaden durch 0,8 % Mischungsanteiländerung“ verdeutlichte.
Aber das „Potenzial“ für Dichtungsschäden fängt schon bei der Spezifikation der Dichtstelle durch Konstrukteur:innen an, wobei das Problem hier tiefer liegt. Denn auch, wenn es in der Praxis häufig schon Schwierigkeiten beim Spezifizieren von Dichtungen und den entsprechenden Zeichnungen gibt, wird dabei außerdem zu oft die Dichtstelle außer Acht gelassen. Entscheidend ist aber immer die funktionierende Dichtstelle.
„Dichtungstechnik ist Werkstofftechnik“ – auch dieses inzwischen geflügelte Wort der Dichtungsbranche zog sich durch verschiedene Vorträge – so z.B. hinsichtlich der heute vielfältigen Möglichkeiten, Werkstoffe zu modifizieren und durch Beschichtungen zu veredeln, um sie so fit für steigende Anforderungen und – sofern richtig spezifiziert – unanfälliger für Schäden zu machen. Dass bei Dichtungen die Werkstoffauswahl nicht von Fertigungsprozessen getrennt werden sollte, war ein weiteres Thema verschiedener Vorträge. Immer komplexeren Dichtstellen und Anforderungen trägt man heute mit Entwicklungskonzepten wie dem vorgestellten „Reversed Engineering“ oder dem „Partnered Engineering“ Rechnung. Beide Ansätze bringen viel Know-how in die Dichtungssentwicklung ein und haben damit auch das Potenzial, Schäden zu vermeiden.
Zu guter Letzt birgt die Montage immer wieder die Gefahr der Schädigung von Dichtungen. Hier bietet die automatische Montage viele Vorteile – und inzwischen lassen sich auch immer mehr Dichtungen automatisch montieren. Selbst biegeschlaffe Dichtungen sind heute keine Herausforderung mehr.
Fazit
Dieses Forum hat zweierlei gezeigt: Online-Foren werden immer mehr zur gelebten Praxis, d.h. Referierende und Teilnehmende gehen viel souveräner mit den technischen Möglichkeiten zur Präsentation (z.B. Video und Umfragen), aber auch zur Kommunikation um. Fachlich wurde die Veranstaltung überwiegend gut bis sehr gut bewertet. Dichtungsschäden ganzheitlich von der Entwicklung einer Dichtstelle bis zur Montage der Dichtung zu betrachten, war sinnvoll und hat viele Ansätze für das Minimieren von Dichtungsschäden aufgezeigt. Und in diesem Zusammenhang ist es vorteilhaft, dass allen Teilnehmer:innen die Präsentationen und Streams der Vorträge und Kontaktmöglichkeiten zu den Referent:innen offline im geschlossenen Bereich auf www.isgatec.com zur Verfügung stehen.
„Unzureichende Spezifikationen und mangelnde Kommunikation über Mischungsänderungen sind nicht zu unterschätzende Probleme bei Elastomerteilen. An einem schwarzen Gummiteil erkennt man spontan keine Änderung und damit kein Risiko für Dichtungsschäden.“ Simon Treiber, Geschäftsführer, Berger S2B GmbH