Der globale Plastikvertrag ist kein Kampf gegen Plastik

(Bild: AdobeStock_Coloures-Pic)

19.11.2024 Der globale Plastikvertrag ist kein Kampf gegen Plastik

von Dr. Arno Maurer (OST – Ostschweizer Fachhochschule, Institut für Mikrotechnik und Photonik)

Wenn dieser Kommentar erscheint, sind es nur noch wenige Tage bis zur fünften und letzten UN-Verhandlungsrunde über den Global Plastics Treaty, die erste weltweit bindende Plastikvereinbarung [1].

Ende November treffen sich Regierungs- und Interessenvertreter aller 175 Teilnehmerländer in Südkorea, um ein hart verhandeltes Dokument zu verabschieden, das 2025 zur Unterschrift kommen soll. Es umfasst den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen, von der Herstellung und Verwendung bis zur Entsorgung, und soll weltweit geltende Regulierungen für Produktionsmengen, Anwendungen und kritische Materialien einführen. Unter der Maxime “This is not a fight against plastic; this is fight against plastic pollution!” geht es aber nicht um ein Verbot von Kunststoffen, sondern um einen umweltverträglichen und zukunftstauglichen Umgang mit diesen Materialien [2].

Technische Kunststoffe, die wir in anspruchsvollen Anwendungen wie Elektrogeräten, Maschinenkomponenten oder auch Dichtungselementen finden, erwähnt der Global Plastics Treaty nicht explizit. Jedoch ist zu erwarten, dass die Ziele und Maßnahmen des Abkommens auch Auswirkungen auf die Verwendung dieser Materialien haben werden. Der aktuelle Entwurf [3] skizziert verschiedene regulatorische Ansätze, darunter einheitliche globale Standards für Kunststoffprodukte. Im Rahmen einer erweiterten Herstellerverantwortung laufen Verhandlungen, die Zuständigkeit der Hersteller auf den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu erweitern. Dies könnte auch Verarbeiter von technischen Kunststoffen dazu zwingen, vermehrt Rücknahme- und Recyclingsysteme für ihre Produkte einzurichten.

Künftige Vorgaben an das Eco-Design von Kunststoffprodukten sollen helfen, deren Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit zu erhöhen. Es sind Vorschriften zur Kennzeichnung von Kunststoffartikeln geplant, die auch bei technischen Produkten die Rückverfolgbarkeit und das Recyc­ling verbessern würden. Im Anhang des Dokuments sind konkrete Stoffe und Stoffgruppen gelistet, die weltweit verboten oder beschränkt werden sollen [4], darunter bekannte Kandidaten wie Weichmacher, Flammschutzmittel, PFAS und Schwermetall­additive. Diese sind z.T. bei technischen Kunststoffen besonders relevant und auf nationaler oder EU-Ebene seit längerem reguliert. Bestimmte Kunststoffarten, die bis 2030 verboten werden sollen, listet der Anhang X auf – im Wesentlichen Polymere, deren Anwendung im Verpackungsbereich problematisch ist, z.B. EPS, PVC, PVDC oder PETG, aber auch mittlerweile als Fehlentwicklungen erkannte Materialien wie Oxo-abbaubare Kunststoffe und primäres Mikroplastik. Von einem generellen Verbot sind Kunststoffe für technische Anwendungen in erster Näherung nicht betroffen.

Um den globalen Mengenzuwachs neuer Kunststoffe zu begrenzen, wird ein verstärkter Fokus auf das Recycling gelegt. Dies könnte auch die Entwicklung neuer Aufbereitungs- und Recyclingtechnologien für technische Kunststoffe antreiben, die oft in komplexen Produkten verbaut sind. Ebenso wird sich die Nachfrage nach recycelten technischen Kunststoffen erhöhen, was Herausforderungen bei der Verfügbarkeit von Post-Consumer-Rezyklaten erwarten lässt.

Vorausgesetzt, das Vertragswerk wird 2025 verabschiedet, würde dies Innovationen auch im Bereich nachhaltiger technischer Kunststoffe anstoßen. Die Industrie wird in neue Technologien und Prozesse investieren müssen, um die Anforderungen des Vertrags zu erfüllen. Dies könnte zunächst zu höheren Kosten für Hersteller führen. Langfristig könnten jedoch Effizienzsteigerungen, Wettbewerbsvorteile und die Erschließung neuer, globaler Märkte diese Kosten ausgleichen. Der Vertrag wird auch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren in der Wertschöpfungskette fördern und zu neuen Partnerschaften zwischen Herstellern, Recyc­lern und Endverbrauchern führen, um Materialkreisläufe zu schließen.

Diese kurze Analyse zeigt, dass der Global Plastics Treaty auch auf die Produktion und Verwendung von technischen Kunststoffen potenziell weitreichende Auswirkungen haben wird. Während dies vorübergehend Herausforderungen für die Industrie darstellen mag, bietet es auch Chancen für Innovation, Nachhaltigkeit und langfristiges Wachstum in einem sich stetig verändernden regulatorischen Umfeld.

Literatur
[1] UN: Nations agree to end plastic pollution. 02.03.2022, https://www.un.org/en/climatechange/nations-agree-end-plastic-pollution
[2] A. Maurer: Globale Plastikvereinbarung: „gutes“ Plastik nutzen, „böses“ Plastik verbieten. DICHT! 4/2023, 36.
[3] UNEP/PP/INC.5/4, Preparation of an international legally binding instrument on plastic pollution. 01.07.2024,      https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/45858/Compilation_Text.pdf
[4] IPEN (International Pollutants Elimination Network): Frequently Asked Questions on Plastics and Chemicals. https://ipen.org/documents/frequently-asked-questions-plastics-and-chemicals, abgerufen am 07.10.24

Dr. Arno Maurer,  Senior Research Scientist, IMP Institut für Mikro- technik und Photonik,  OST Ostschweizer Fachhochschule
„Auch bei technischen Kunststoffen ist Veränderung angesagt, die man langfristig als Chance begreifen sollte.“ Dr. Arno Maurer, Senior Research Scientist, IMP Institut für Mikro- technik und Photonik, OST Ostschweizer Fachhochschule

Lösungspartner

OST – Ostschweizer Fachhochschule, Institut für Mikrotechnik und Photonik
OST – Ostschweizer Fachhochschule, Institut für Mikrotechnik und Photonik

 

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung