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„Das Potenzial von Klebebändern ist noch längst nicht ausgereizt“

Klebebänder haben heute ein breites Einsatzspektrum (Bild: VITO Irmen GmbH & Co. KG)

03.06.2019 „Das Potenzial von Klebebändern ist noch längst nicht ausgereizt“

Stand der Technik, Märkte, Normen, Perspektiven

von Dr. Michael Büchner (VITO Irmen GmbH & Co. KG), Dr. Marcus Weber (VITO Irmen GmbH & Co. KG)

Klebebänder empfehlen sich für immer mehr Aufgabenstellungen quer durch alle Branchen. Über den Stand der Technik und das Potenzial dieser Technologie sowie die Unternehmensentwicklung von VITO Irmen unterhielt sich DICHT! mit Dr. Michael Büchner, dem neuen Geschäftsführer des Unternehmens, und Dr. Marcus Weber, Leiter Entwicklung.

Klebebänder tauchen im Rahmen der Fügetechnologie des 21. Jahrhunderts zunehmend als interessante Option auf. Was kann diese Technologie heute leisten?

Büchner: Klebebänder sind heute vielfältig einsetzbar. So leisten sie in modernen Produktionen meist einen wichtigen Beitrag zur effizienten Montage. Klassische Anwendungen sind beispielsweise im Automobilbau das Kleben von Anbauteilen, im Bausektor in Kombination mit Folien, Spiegeln und Dichtungen oder auch in der Medizintechnik als Pflaster und Kleben von Sensoren. Nicht zu vergessen ist natürlich auch der volumenmäßig größte Markt für Haftklebstoffe bei Labeln, Etiketten und Schutzfolien.

Weber: Technisch betrachtet bieten sie – im Vergleich zu viskosen Klebstoffen – vor allem Vorteile bei der sofortigen Anfangsfestigkeit und dem Verzicht auf den Umgang mit viskosen Medien. Gleichzeitig sind natürlich auch Einschränkungen zu beachten. So sind die Festigkeit und thermische Beständigkeit zumeist deutlich geringer als bei Strukturklebstoffen.

Nun gibt es ja verschiedene Arten von Klebebändern,…
Weber: …richtig, geht man von ihrer Fertigung aus, so sind grob vier konkurrierende Technologien zu unterscheiden: Lösungsmittel-, Dispersions-, Hotmelt- und UV-Systeme. Wir setzen alle diese Technologien mit großem Erfolg ein.

Büchner: Es ist aber noch eine weitere Entwicklung zu beobachten, die für Klebebänder spricht. In den letzten Jahren haben sich zunehmend nachhaltige Ansätze durchgesetzt, die auf Lösungsmittel verzichten. Dabei werden die bekannten Grenzen der genannten Systeme sukzessive erweitert. So gibt es beispielsweise inzwischen eine Vielzahl an Dispersionsacrylaten, die eine hervorragende Beständigkeit gegenüber Feuchtigkeit bieten. Ein Problem, welches vor einigen Jahren noch ein großes Hemmnis bei der Verwendung von Dispersionen war. Aber auch die UV-Systeme bieten eine hervorragende Basis zur Fertigung lösungsmittelfreier Produkte, ohne dabei auf die guten Eigenschaften eines Lösungsmittelacrylats zu verzichten.

Welche Herausforderungen sind zukünftig in den unterschiedlichen Branchen zu meistern und welche Rolle können dabei Klebebänder spielen? Büchner: Vor allem im Bereich der Elektromobilität sehen wir zukünftig Potenziale. Hier ist verstärkt der Leichtbau gefordert, wozu auch Klebebandlösungen einen wesentlichen Beitrag leisten können. Aber auch andere elektrische und elektronische Anwendungen suchen nach effizienten Fügeverfahren. Hier sind zunehmend integrierte Wärmeleitfähigkeit und elektrische Leitfähigkeit als zusätzlicher Nutzen von Klebebändern gewünscht.

Branchen- und applikationsunabhängig ist allerdings die Verfügbarkeit von Chemie- und Kunststoffrohstoffen eine zentrale Herausforderung. Als mittelständisches Unternehmen, mit – im Vergleich zu großen Herstellern – teilweise kleineren Abnahmemengen, stellen wir in den letzten Jahren deutliche Verschiebungen auf der Rohstoffseite fest. Diese betreffen zum einen die Lieferfähigkeit, zum anderen die Preisentwicklung. Immer öfter ergeben sich drastische Preiserhöhungen oder deutlich ansteigende Lieferzeiten als Folge von Verknappungen.

Spielt die DIN 2304 auch für das Kleben mit Bändern eine Rolle, wenn ja, wie bewerten Sie das Potenzial dieser Norm?
Weber:
Bislang beschäftigt sich die DIN 2304 nicht explizit mit Klebebändern und geht auch nicht umfassend auf die Besonderheiten bei ihrer Anwendung ein. Leider gibt es aktuell auch keine uns bekannte spezialisierte Ausbildung für Anwender von Klebebändern und ein numerischer Nachweis der Dauerhaftigkeit von Klebungen mit Haftklebstoffen ist derzeit kaum zu führen. Große Teile der DIN Norm sind daher schlecht auf Haftklebungen übertragbar. Aus diesem Grund hat sich am DVS eine Arbeitsgruppe (AG V8.2) mit Klebebändern beschäftigt und die „Richtlinie DVS 3320-2 – Qualitätsanforderung in der Haftklebebandanwendung für permanente klebtechnische Verbindungen“ veröffentlicht. Die Zukunft wird zeigen, ob diese Inhalte auch Eingang in das DIN-Normenwerk finden.

Beim Kleben wird schnell an Klebstoffe gedacht, welche Vorteile bieten Klebebänder eigentlich?
Büchner:
Klebebänder bieten klare Vorteile im Hinblick auf die sofortige Anfangsfestigkeit. Weitere Vorteile sind der Wegfall von Mischvorgängen und der fehlende Umgang mit viskosen und teilweise toxischen Chemikalien bei der Applikation. Es lässt sich also festhalten, dass das Gefährdungspotenzial bei der Applikation von Klebebändern im Vergleich zu Klebstoffsystemen deutlich reduziert ist.

Wie wichtig ist der Vorteil der wiederlösbaren Verbindung in der Praxis?
Weber:
Damit kein falscher Eindruck entsteht, auch mit konventionellen, viskosen Klebstoffen kann man lösbare Verbindungen herstellen. Bei den Haftklebstoffen ist dies sicherlich eine zentrale Stärke und sehr viele Anwendungen werden nur aus diesem Grund mit Haftklebstoffen bedient. Ein Beispiel hierfür sind unsere vielfältigen Stapelscheiben für den Baubereich, welche von Glas rückstandsfrei entfernbar sind.

Prozesssicheres Dosieren ist bei Klebstoffen ein zentrales Thema. Wie werden Klebebänder heute prozesssicher montiert?
Weber:
Analog zu viskosen Klebstoffen erfolgt die Applikation bei Klebebändern, je nach Seriengröße, manuell, teil- oder vollautomatisiert. Die Dosierung spielt dabei keine Rolle, da die Bänder selbst eine gleichbleibende Klebstoffmenge gewährleisten. Berücksichtigt werden müssen dafür aber mögliche Eigenspannungen im Klebeband, die durch die Applikation entstehen. Diese sind zu vermeiden, da sich hieraus in der Folge Klebfehler ergeben können.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ergibt sich im Hinblick auf die Oberflächentopografie. Während viskose Klebstoffe durch gezielte Aufrauung höhere Festigkeiten erreichen, nimmt diese bei Haftklebstoffen mit zunehmender Oberflächenrauheit – als Folge der erschwerten Kontaktierung – ab. Auch ist bei Klebebändern besonders auf eine klebgeeignete, sprich gereinigte Oberfläche zu achten, da sie meist sensibler auf verschmutzte Oberflächen reagieren als viskose Klebstoffe. Dies ist auch verständlich, da beispielsweise Öle von der Klebefläche des Klebebands nicht so gut aufgenommen werden wie vom viskosen Medium des Klebstoffs.


Nun hat sich auch bei VITO Irmen einiges getan. Sie sind seit einigen Monaten Geschäftsführer. Welche Ziele haben Sie für das Unternehmen?
Büchner:
Kurz zusammengefasst: Modernisierung und Wachstum – basierend auf einer soliden Basis. Ohne Zweifel steht unser Name in den heute bedienten Segmenten für qualitativ hochwertige Produkte und einen ausgezeichneten Service. Dies ist ganz klar ein Verdienst unserer Mannschaft, die diese Marktposition über Jahrzehnte aufgebaut hat. Betrachtet man den Markt für Klebebänder, so gibt es neben den heute von uns bedienten Feldern noch weitere lukrative Anwendungen. Diese gilt es anzugehen. Ich möchte das Unternehmen frischer und moderner aufstellen und in eine neue Wachstumsphase führen. Dazu ist es unerlässlich, dass wir von unseren Kunden als der kompetente und bevorzugte Partner wahrgenommen werden, der Lösungen und Innovationen vorantreibt. Das heißt aber auch, dass wir – mit Blick auf den umkämpften Fachkräftemarkt – von potenziell neuen Mitarbeitern als attraktiver Arbeitgeber gesehen werden. Die wesentliche Voraussetzung für die Realisierung der Wachstumsziele sind aber nicht nur neue Mitarbeiter, sondern auch der Ausbau unserer Kapazitäten. Wir sind über mehrere Jahrzehnte am Standort in Remagen-Kripp gewachsen. Die Wachstumsmöglichkeiten hier sind jedoch heute mehr als limitiert. Aus diesem Grund werden wir einen zweiten Standort im Gewerbepark Remagen-Süd errichten. Den ersten Bauabschnitt bildet der Neubau einer zweigeschossigen Produktions- und Lagerhalle. Der Baubeginn steht kurz bevor.

Um zukünftig noch gezielter und effektiver Produktneuentwicklungen umzusetzen, haben wir zudem unsere Entwicklungsabteilung ausgebaut und personell verstärkt. Wir widmen uns hier verstärkt neuen Segmenten, über die ich aber noch nichts verraten möchte. Parallel dazu haben wir im Vertriebsbereich Änderungen vorgenommen, die uns eine noch effizientere und internationalere Marktbearbeitung erlauben. Ein weiteres Thema, dem wir uns auch besonders widmen, ist das Marketing bzw. die Außendarstellung. Diese hat verschiedene Facetten – von Branding und CI bis zu unserem Webauftritt. Die Klammer ist unser neuer Slogan: VITO – Visions In Tapes. In Summe entwickeln wir also das Unternehmen in allen Bereichen weiter und positionieren uns für die Zukunft. Dabei liegt unser Fokus weiter auf unseren starken Branchen Glas, Bau, Automobil, Medizintechnik, erneuerbare Energien sowie industrielle Anwendungen. Das ist die Basis für neue lukrative Anwendungen, denen wir uns widmen werden.

Können Sie hier schon ins Detail gehen?
Büchner:
Leider nein, das wäre noch zu früh.

Vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt zu Herr Dr. Büchner

Kontakt zu Herr Dr. Weber

Dr. Michael Büchner, Geschäftsführer, VITO Irmen GmbH & Co. KG
Der Einsatz von Klebebändern minimiert das Gefährdungspotenzial beim Umgang mit toxischen Chemikalien. Dies trägt auch nachhaltigen Ansätzen Rechnung, die immer mehr nachgefragt werden. Dr. Michael Büchner, Geschäftsführer, VITO Irmen GmbH & Co. KG
Dr. Marcus Weber, Leiter Entwicklung, VITO Irmen GmbH & Co. KG
Die DIN 2304 hat Klebebänder noch nicht auf dem Radar, allerdings erfordert auch ihre Verarbeitung Know-how. Dr. Marcus Weber, Leiter Entwicklung, VITO Irmen GmbH & Co. KG

Lösungspartner

VITO Irmen GmbH & Co. KG
VITO Irmen GmbH & Co. KG

 

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Qualitätssicherung, Produktion & Fertigung