15.06.2020 Biobasierte Klebstoffe – ein interessantes Update
Vor einem Jahr habe ich mich bereits einmal zu diesem Thema geäußert. Aber die Welt dreht sich weiter. Es ist also an der Zeit für ein Update mit neueren Informationen.
Bei einem mittelständischen, aber höchst innovativen Klebstoffhersteller habe ich jetzt Klebstoffe gesehen, die auf Stärke basieren. Nichts Neues, werden Sie sagen und das mit Recht, denn stärkebasierte Klebstoffe – oder Leime – sind in vielen Anwendungen seit Jahrzehnten Standard. Beispiele sind das Kleben von Verpackung oder das Labeling. Sehr gut, denn schließlich handelt es sich hier um einen nachwachsenden Rohstoff, der aus Erbsen, Gerste, Kartoffeln (mit 82 % Stärkeanteil die zweitergiebigste Quelle), Mais, Maniok, Reis (mit 89 % die ergiebigste Quelle), Roggen, Süßkartoffel und Weizen gewonnen wird – und damit passen stärkebasierte Klebstoffe in die aktuelle Diskussion.
Da es sich bei den vorgenannten Stärke-Quellen auch um Nahrungsmittel handelt, kann die Diskussion schnell emotional, ggf. sogar etwas polemisch werden – und hier setzt die Entwicklung an, von der ich berichten möchte. Bei der industriellen Fertigung von Kartoffel-Produkten, sagen wir Tiefkühl-Pommes-Frites, fallen große Mengen stärkehaltiges Wasser an. Dieses Wasser kann man entweder entsorgen – wobei nicht jeder Kläranlagen-Betreiber begeistert ist, wenn große Mengen stärkehaltigen Wassers bei ihm eingeleitet werden. In der Praxis werden diese deshalb per Tankwagen über weite Strecken ordnungsgemäß in entsprechenden Anlagen entsorgt. Alternativ kann man dieses Wasser aber auch nutzen, um daraus einen Rohstoff zu extrahieren: Stärke.
Etikettier-Klebstoffe, die auf dieser Basis entwickelt wurden, sind inzwischen maschinengängig und linienfest, zeigen in den ersten Praxisversuchen auch weitgehend die gleichen Kleb-Eigenschaften wie „normale“ Stärke-Klebstoffe, weisen jedoch eine bessere Eiswasser-Beständigkeit auf. „Wo ist der Haken?“, werden Sie fragen. Der dafür getriebene Aufwand kostet Geld und das schlägt sich in einem kleinen Preisaufschlag nieder, was sicher auch damit zusammenhängt, dass der Prozess noch nicht im industriellen Großmaßstab etabliert ist. In unserer „Geiz-ist-geil“-Welt mag das noch ein Kriterium sein, aber eine erwähnenswerte Innovation ist und bleibt es trotzdem – und deshalb glaube ich an diese Entwicklung und wünsche gute Umsetzung im Markt.
Klebergrundstoffe aus dem Abwasser der Nahrungsmittelproduktion gewinnen, ist ein interessanter Ansatz, der Umwelt und Ressourcen schont. Jetzt muss er nur noch in der industriellen Umsetzung wirtschaftlicher werden oder wir fangen an in ganzheitlichen win-win-Modellen zu denken. Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management