28.05.2024 „Alles, was Du kannst, kann ich viel besser…“
Wer kennt sie nicht, diese Textzeile aus dem Musical „Annie get your gun“. Der darin zum Ausdruck gebrachte Wunsch, andere zu übertrumpfen, ist nicht neu und somit keine beklagenswerte Erscheinung unserer Zeit.
Es ist aber gerade heute auffällig, dass durchaus ernstzunehmende Unternehmen eine Art „Me-Too-Marketing“ betreiben, also auf anfahrende bzw. fahrende Züge aufspringen oder das zumindest versuchen. Warum „versuchen“? Nun, dem Markt bleibt das ja nicht verborgen, potentielle Kunden wundern sich, Wettbewerber schmunzeln, die Kopierten ärgern sich oder fühlen sich bestätigt – je nach persönlicher Disposition. Selbst das eigene Personal kratzt sich gelegentlich nachdenklich am Kopf. Warum? Die gleichen Firmen reden auch gerne von ihrem USP, ihrem Alleinstellungsmerkmal, und da ist es dann kontraproduktiv, Themen von Branchenbegleitern zu „kapern“. Besonders schlimm wird es, wenn die Leistungsmerkmale des „kopierten“ Produktes nicht erreicht werden. Bei Marketingtrends, wie „Nachhaltigkeit“ passiert das z.B. schnell und endet i.d.R. in peinlichem „Green-Washing“.
In sozialen Medien bekommt „Me-too-Marketing“ eine weitere Facette. Denn natürlich gibt es Themen, die eine ganze Branche bewegen – zumindest eine Zeit lang. Und genauso selbstverständlich darf man dazu etwas sagen. Dafür gibt es ja bekanntlich Kommentarfunktionen in den einschlägigen Netzwerken. Man darf sogar widersprechen, eine abweichende Meinung äußern. So kommt oft Schwung in die Diskussion und bringt diese voran und vermeidet auf jeden Fall eine einseitige Sichtweise. Aber hier reflexhaft auf jedes Statement eines Mitbewerbers zu springen, dieses mit der eigenen Aussage übertrumpfen zu wollen, das Thema an sich zu reißen usw. ist in meinen Augen „Me-Too-Marketing“ nach dem Motto „das kann ich auch“ oder eben „Alles was Du kannst, kann ich viel besser…“
Dabei nutzt man die „Mechanik“ solcher Netzwerke um „Punkte zu machen“. Das ist natürlich. Und genau so natürlich verstehe ich, warum die Menschen ein Thema für sich vereinnahmen und es besetzen wollen. Aber wenn man sich ein gutes Ranking in sozialen Netzwerken durch Kopfschütteln in der Branche oder gar bei den eigenen Mitarbeitenden erkauft, wird an sich schlechtes Me-too-Marketing auch noch gefährlich. Und wenn dann noch der eigene USP fehlt – soll ja vorkommen – hat man seinem Unternehmen bestimmt keinen Gefallen getan.
„Me-too-Marketing ist oft nicht nur substanzloses Geschrei, es bewirkt auch schnell das Gegenteil.“ Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management