Die Deutschland AG macht schlapp

(Bild: AdobeStock_Julien Eichinger)

27.05.2021 Die Deutschland AG macht schlapp

von Karl-Friedrich Berger (ISGATEC GmbH)

Nach nunmehr mehr als zwölf Monaten der Pandemie zeigt sich der grundlegende Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft in unserem Land und gibt Impulse, was sich in der Deutschland AG in Zukunft ändern muss.

Unser aktuelles Dilemma ist vielschichtig und die nachfolgenden Aspekte, die sich zum Teil überlagern, zeigen die Diskrepanz zwischen staatlichem Handeln und notwendigem unternehmerischen Handeln. Aber jedes Unternehmen im Bereich Dichten. Kleben. Polymer., das sich ein Beispiel an unserer Politik nehmen würde und so mit einer Krise umgeht, würde vom Markt verschwinden.

1. Flache Hierarchien haben deutliche Vorteile – Unternehmen legen meist klare Strukturen zur Entscheidungsfindung fest. Die Verantwortung des Einzelnen ist Motor der Dynamik. Führung heißt hier, Teams zusammenzustellen, die sich selbst organisieren und entlang der definierten Ziele und Visionen Leistung bringen und auch können, was sie tun. In dem Begriff „Können“ spiegelt sich dann auch die Umsetzbarkeit wider. Politische Entscheidungen werden derzeit von Kanzlerin und Landesfürst:innen gefällt, die dann von den Regionen und Kommunen auszuführen und von der Polizei zu überwachen sind. Der Unterschied ist deutlich und auch das „Können“ ist fraglich.

2. Schnell auf Veränderungen reagieren und Best-Practice-Erfahrungen im Sinne des Unternehmens nutzen – in den letzten Monaten haben sich viele – nicht alle – Unternehmen schnell angepasst. Stichworte sind Homeoffice, neue Geschäftsmodelle, z.B. Außerhausverkauf, Online-Kommunikation etc. Politik und Verwaltungen zeigten sich mit ihrer Strategie der Lockdowns und anderen Einschränkungen eher einfallslos, bürokratisch und behäbig. Vorhandene Best-Practice wurde und wird nicht genutzt.

3. Im Voraus auf Vorrat denken – das stete Denken der Wirtschaft in Alternativen, die Weitsicht, auch Unmögliches zu planen, ist Grundvoraussetzung des Überlebens von Unternehmen in dieser dynamischen Welt. Dies scheint in der Politik kein Ansatz zu sein. So überraschen die zweite und dritte Welle, obgleich es z.B. bereits 2012 Berichte mit Risikoanalysen zu diesen Themen gab. Und jetzt darüber nachzudenken, in Deutschland eigene Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufzubauen, ist ein Armutszeugnis.

4. Zeit nutzen und schnell handeln – in der Wirtschaft entscheidet inzwischen oftmals nicht mehr der Preis, sondern die Liefergeschwindigkeit über den Erfolg eines Produktes. Langsam reagierende Unternehmen haben es immer schwerer. Die Deutschland AG hat scheinbar schon länger alle Zeit der Welt. Nicht umsonst stellt man gerade fest, dass einem für vieles, was man gerne tun möchte, die Infrastruktur fehlt und wir eine Bürokratie haben, die jedes schnelle Handeln unmöglich macht.

5. Entscheidungen an der Realität ausrichten und nicht an den Wünschen von Interessensgruppen – Unternehmen, die sich politischen Lobbyismusmechanismen hingeben, sind selten effizient und wirtschaftlich. Im politischen Umfeld werden Entscheidungsprozesse oft von den Befindlichkeiten einzelner Gruppen abhängig gemacht. Die dann geschlossenen Kompromisse sind der kleinste gemeinsame Nenner, aber selten die benötigte klare Entscheidung und der Sprung nach vorne.

6. Entscheidungen auf solider Datenbasis treffen – Daten und Statistik sind Entscheidungsgrundlagen. Was in vielen Unternehmen schon kritisch diskutiert wird, da immer weniger Menschen die Bedeutung der jeweiligen Daten kennen, wird in der Politik derzeit auf die Spitze getrieben. So sind für die Politik Inzidenzen, die Belegsituationen auf den Intensivstationen etc. Schlüsseldaten für Entscheidungen. Andere „Daten“ wie die vielfältigen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Deutschland AG werden ignoriert und scheinbar billigend in Kauf genommen.

7. Moderne Technik nutzen – mithilfe moderner IT-Lösungen und zunehmend der künstlichen Intelligenz reduzieren Unternehmen einerseits ihren administrativen Aufwand und schaffen anderseits Möglichkeiten für Entwicklungsprozesse. Und die Politik hat im letzten Jahr deutlich gezeigt, dass dies in Kombination mit genannten anderen Kriterien hier nicht funktioniert. Stichwörter sind hier die Corona-Warn-App, ein einheitliches IT-System für die Gesundheitsämter (Sormas) oder die digitale Schule.


8. Menschen, das machen lassen, was sie am besten können – kein Unternehmen käme auf den Gedanken, den Einkauf von einem Konstrukteur organisieren zu lassen. In der Politik – und gerade unter Berufspolitikern – ist fachliche Inkompetenz und mangelndes Wissen kein Hinderungsgrund für – sagen wir mal – bestenfalls teueren Aktionismus. Wenn es schlecht läuft, bereichert man sich auch noch. Letzteres ist in Unternehmen durch sinnvolle rechtliche Regelungen übrigens kaum noch zu finden.

9. Visionen haben und umsetzen – erfolgreiche Unternehmen haben Visionen. Sie sind die Basis für Entwicklung, neue Produkte und – wenn es gut läuft – Wohlstand. Visionen kann ich in der europäischen und nationalen Politik nicht erkennen – eher Beharren und Zurückblicken auf „Erreichtes“. Es gibt keine europäische oder deutsche Vision der Zukunft. Die überhastete Abkehr von der Atomenergie, die Hinwendung zur E-Mobility ohne hinreichende Schaffung der Verteilungsstrukturen, die mangelhafte Digitalisierung, z.B. in Schulen, macht deutlich, dass es keinen Plan und keine Vision gibt.

Der Zustand der Deutschland AG macht mir nicht nur für kommende große Themen wie Energiesicherheit, klimaneutrale Umgestaltung einer Industrienation etc. Sorgen. Die Deutschland AG ist derzeit auch ein unsicherer Rahmen für alle Unternehmen. Vielen geht es gut, aber ganze Branchen kämpfen ums Überleben. Die meisten wirtschaftlichen Folgen wird man erst dann sehen, wenn unser jetziges politisches Personal nicht mehr aktiv ist. Diese Entwicklung trifft man leider auch in Unternehmen an. Verantwortungsbewusstes Handeln auf Basis einer soliden ganzheitlichen Betrachtung ist überall auf dem Rückzug. Das kann einem schon Sorgen machen.

Karl- Friedrich Berger, Gesellschafter, ISGATEC GmbH
„Ich bin froh, dass die Politik der Deutschland AG weder an Dichtungs- noch an Kleblösungen arbeitet. Das wäre ein Desaster.“ Karl- Friedrich Berger, Gesellschafter, ISGATEC GmbH

Lösungspartner

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb