27.05.2021 Metall- oder Kunststoffbauteile für reibungsoptimierte Anwendungen?
Kunststoff-Dicht- und Lagerringe sind bei hoher Beanspruchung zunehmend die geeignetere Option
Die Anforderungen an Dichtungen und Lager steigen kontinuierlich. Dabei werden Kunststofflösungen von den Konstruierenden häufig nicht in Betracht gezogen – völlig zu Unrecht.
Druck- und Anlaufscheiben, Axiallager und andere anwendungsspezifische Reib- und Verschleißteile in Getrieben bestehen heute schon oft aus Hochleistungskunststoffen. Sie sind Stand der Technik. Dennoch berücksichtigen Entwickler:innen von z.B. neuen Getrieben mit Drehzahlen von 14.000 min-1 und mehr oder von Antriebselementen für (H)EVs sie häufig nicht. Als Konsequenz werden dann Bauteile aus Metall standardmäßig eingesetzt – und bessere Möglichkeiten bleiben ungenutzt.
Was Entwickelnde beachten müssen
Beim Entwurf von Reib- bzw. Gleitbauteilen eines Getriebes oder Antriebsstrangs müssen viele Anforderungen berücksichtigt werden. Zunächst ist für die Optimierung der Energieverluste ein Werkstoff mit einem niedrigen Reibungskoeffizienten µ bei den vorherrschenden Betriebsbedingungen auszuwählen. Gleichzeitig müssen die Gegebenheiten während des Anfahrens und – noch wichtiger – die maximale Belastung berücksichtigt werden. Hervorragende Reibeigenschaften allein reichen jedoch nicht aus. Im gleichen Maß soll das Material einen geringen Verschleiß aufweisen – idealerweise so, dass das Bauteil während der vorgesehenen Lebensdauer nicht ausgetauscht werden muss.
Ebenso spielt beim Design die Integration von weiteren Funktionen in die Komponente eine wichtige Rolle. Eine derartige Konsolidierung führt zu weniger Teilen, einer einfacheren Montage und damit geringeren Gesamtkosten. Andere relevante Parameter sind der verfügbare Platz, die Trägheit des Systems, NVH (Noise, Vibration, Harshness), Art und Durchfluss des Schmiermittels.
Grundlagen
Reib- oder auch Gleitlagersysteme sind gekennzeichnet durch die wArt der Oberflächen der sich berührenden Teile, den Anpressdruck, die Gleitgeschwindigkeit, die Temperatur und die Schmierung. Der wichtigste Parameter des Systems ist der Reibungskoeffizient µ, der das Verhältnis zwischen der zum Bewegen des Teils erforderlichen Reibkraft und der senkrecht zur Oberfläche ausgeübten Kraft bezeichnet. Je kleiner µ, desto geringer ist der Reibungsverlust, der durch die Komponente während des Betriebs verursacht wird. Der Gesamtverlust eines Getriebes aufgrund von Reibung kann beträchtlich sein, bei Verbrennungsmotoren bis zu mehreren Kilowatt.
Normalerweise wird µ als Funktion der beiden Schlüsselparameter Geschwindigkeit (V) und Druck (p) des Systems dargestellt, kombiniert als V/p. Es existieren drei verschiedene Reib- oder auch Schmierzustände: Grenz-, gemischte und hydrodynamische Schmierung. Um die Reibung und damit die Energieverluste des Systems zu optimieren, sollen die Bedingungen im Auslegungsfall nahe am Minimum liegen, d.h. in der Übergangszone von gemischter zu hydrodynamischer Schmierung.