27.05.2021 „Für optimale Dichtstellen braucht man immer mehr Kreativität.“
Flanschverbindungen im Spannungsfeld von neuen Konstruktionen und steigenden Anforderungen
Flanschverbindungen sicher abzudichten, ist doch eigentlich kein Thema, oder? Dieser Aussage kann Torsten Bial, technischer Direktor der KLINGER Kempchen GmbH, nur da zustimmen, wo der Standard clever eingesetzt werden kann. Ansonsten sei viel Know-how, Erfahrung und auch Kreativität notwendig.
Ist der „Standard“ bei klassischen Dichtstellen in der Prozessindustrie wirklich auf dem Rückzug?
Bial: Auf jeden Fall – bei vielen Dichtungslösungen und Anlagen und Systemen spüren wir die letzten Jahren einen deutlichen Umschwung. Dabei wird zwar keine der bekannten und etablierten Dichtungstypen vom Markt verschwinden, dennoch lässt sich im Bereich der Ingenieursdienstleistungen ein Trend erkennen. Denn die Anforderungen vieler Kunden – bezogen auf Verfügbarkeit und Integrität von Dichtverbindungen – sind deutlich gestiegen. Bei seriöser Beratung und Berücksichtigung der jeweils geltenden einzuhaltenden Grenzen – z.B. im Zuge von Normen und Regelwerken – fallen viele einfache Dichtungslösungen aus der engeren Wahl. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass sich Kombinationen aus Metall und Dichtungsweichstoff immer mehr durchsetzen. Aber auch rein metallische Dichtungen werden immer mehr eingesetzt.
Wirkt sich hier auch der allgemeine Trend zu „schlankeren“ Konstruktionen aus?
Bial: Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Im Anlagenbau ist man – mehr denn je – bestrebt, Komponenten und Equipment immer kleiner und vor allem materialsparender zu konstruieren und zu bauen. Das bedeutet oftmals eine Verschlankung der Bauteile und somit einen Verlust an Steifigkeit oder eine Reduzierung spannungstragender Querschnitte. Um diesem Bestreben nicht entgegenzustehen, sind kreative Auslegungen und Konstruktionen sowie eine clevere Dichtungsauswahl erforderlich.
Wie werden solche Lösungen dann berechnet?
Bial: Jetzt wird es spannend, denn betrachtet man die „neuen“ Konstruktionen im Kontext zu den steigenden Anforderungen an Dichtungen, sind häufig auch vom Standard abweichende Berechnungskonzepte zielführender. Solche, effektiveren Berechnungskonzepte können aber nur diejenigen entwickeln, die alle erforderlichen Einflussparameter kennen und zu interpretieren wissen.
„Aktuelle Regel- und Normenwerke geben uns einen soliden Rahmen. Für viele Fragestellungen ist aber zudem Kreativität nötig.“ Torsten Bial, technischer Direktor, KLINGER Kempchen GmbH