Die verlängerte Werkbank  für Dichten, Kleben und Verguss

Lohnverguss ist in vielen Fällen eine interessante Option (Bild: Sonderhoff Holding GmbH)

29.11.2019 Die verlängerte Werkbank für Dichten, Kleben und Verguss

Lohndienstleistungen sind mehr als eine kostengetriebene Make-or-buy-Entscheidung

von Florian Kampf (Henkel AG & Co. KGaA | Sonderhoff Technologie)

Lohnschäumen und -verguss werden oft auf eine einfache Make-or-buy-Entscheidungsformel reduziert. Dabei wird meist das wirkliche Potenzial einer effektiven verlängerten Werkbank für die eigenen Produkte
unterschätzt.

Industriezulieferer, die das Dichten, Kleben und Vergießen  ihrer Bauteile aus ihrer Produktion ausgliedern möchten und/oder nicht die Voraussetzungen für die Verarbeitung von polymeren Materialsystemen auf Basis von PUR und Silikon haben, vergeben solche Aufträge heute an spezialisierte Lohnfertiger. Allerdings sollte man eine solche Entscheidung nicht nur auf eine reine Kostenrechnung reduzieren. Denn mit dem richtigen Partner profitieren Auftraggeber bereits von der Konstruktionsphase an, z.B. hinsichtlich der idealen Lage der Schaumdichtung im Bauteil und/oder der Wahl des passenden Materialsystems. Ein weiterer Aspekt ist die Nutzung der jahrzehnte langen Erfahrungen und des Know-hows, über das Spezialisten wie Sonderhoff Services, Teil der Henkel AG & Co. KGaA, verfügen. Ebenso entscheidend kann der Time-to-Market-Aspekt sein. Ergänzende Produktionskapazitäten für eine grundsätzlich erhöhte Nachfrage oder Nachfragespitzen können so abgefedert werden und sorgen dafür, dass Produkte zum richtigen Zeitpunkt am Markt verfügbar sind. Auch im Kontext zum Innovationsdruck, dem die meisten Branchen bzw. Unternehmen heute ausgesetzt sind, wird die Lohnfertigung immer interessanter. Innovationen sind ein Treiber der Anwendungsvielfalt, denen Dichtungs- und Kleblösungen gerecht werden müssen. So müssen in unserer hoch technisierten Welt z.B. Elektronik und Technik bestmöglich abgedichtet, verklebt und versiegelt werden, damit ihre Funktionsfähigkeit erhalten bleibt. Die Anforderungen steigen dann noch einmal, wenn funktionsrelevante Bauteile zu sicherheitsrelevanten werden, wie das z.B. beim autonomen Fahren schnell passieren kann. Da heutige Lösungen ein breites Anforderungsspektrum erfüllen können, kommen Schaumdichtungen, Klebe- und Vergussprodukte in den unterschiedlichsten Anwendungen vor, von Autos über Elektronik, Schaltschränke, Beleuchtung, Luftfilter, Verpackungen, Haushaltsgeräten, bis zu Photovoltaik etc. 

Kompletter Technologiezugriff...
Effektive Lohnfertigung basiert auf der Kombination von Know-how, Materialsystem und der Verarbeitungstechnik. Deshalb werden heute individuelle, bauteilspezifische Lösungen für das Dichtungsschäumen, Kleben und Vergießen von Bauteilen in kleineren und größeren Serien aus einer Hand angeboten. Die Dichtungs-, Kleb- und Vergussapplikationen der Bauteile werden mit der jeweils geeigneten Dosiertechnologie prozesssicher, effizient und wirtschaftlich in einer reproduzierbaren Qualität hergestellt – von der Prototypen-Bemusterung über die Ist-Analyse der Anforderungen bis zur Bauteillösung und Qualitätskontrolle. Dabei stehen nicht nur mehr als 1.000 Materialsysteme zur Verfügung, auch die Abstimmung auf die eingesetzte Misch- und Dosiertechnik ist von Anfang an sichergestellt.

...für wirtschaftliche und reproduzierbare Produkte mit hoher Qualität
Das FIP(F)G-Verfahren (Formed-in-Place-(Foam) Gasket) hat sich in den vergangenen Dekaden für Dichtungen flächendeckend durchgesetzt und gilt mittlerweile in verschiedenen Branchen als Standardverfahren zum Auftrag von Gehäusedichtungen aller Art. Gerade komplizierte, dreidimensionale Dichtungskonturen sind maschinell schneller und prozesssicherer sowie in reproduzierbarer Qualität zu beschäumen, als Dichtungen von Hand in Bauteile einzulegen. Zusammen mit der entsprechenden voll automatisierten Misch- und Dosiertechnik wird eine hohe Prozesssicherheit, gepaart mit höchster Effizienz und Wirtschaftlichkeit, erzielt. Mit der Dosieranlage werden die Dichtungs-, Klebstoff- und Vergussmaterialien direkt auf die Bauteile vollautomatisch aufgetragen. Innerhalb der Verfahrbereiche der Anlagen können verschiedenste Bauteilgrößen und -geometrien mit Ausbringungsmengen von 3 bis 100 g/s verarbeitet werden. Sogar Dichtungs-, Kleb- und Vergussapplikationen von 0,05 bis 3 g/s für Kleinstteile mit sehr engen Konturverläufen sind möglich. Die Materialien härten unter Raumtemperatur aus und können i.d.R. schon nach kurzer Zeit weiterverarbeitet werden. Die Kunden profitieren bei dieser Technologie von dem breiten Produktspektrum auf Basis von Polyurethan, Silikon und PVC, individuellen Automationskonzepten sowie vielfach patentiertem Wissen und der langen branchenübergreifenden Erfahrung.

Komplette Begleitung von der Konstruktion bis zur Serienfertigung
Entscheidend für eine erfolgreiche Lohnfertigung ist zudem die komplette Projektbegleitung von der Beratung und Schulung über Null- und Kleinserien bis zur Übernahme von Großserien. Anwender erhalten so die Möglichkeit, Testläufe oder Neuentwicklungen durchzuführen, ohne die eigene Produktion zu stören (Bild 2). Bei dieser Projektbegleitung müssen Anwendungstechniker die Anforderungen richtig verstehen und – wenn nötig – auch kritisch hinterfragen. Da werden Details wie z.B. Haftungseigenschaften einer Dichtung geklärt. Diese können von einer einfachen Montagehaftung, damit die Dichtung während des Transportes nicht abfällt, bis zu einer Haftung in der die Dichtung nur noch mechanisch zerstörend entfernt werden kann, reichen. Ob die jeweiligen Materialeigenschaften eines Bauteils eine Haftung des Dichtwerkstoffes ohne Vorbehandlung gewährleisten, muss individuell geprüft werden. Dies macht deutlich, warum schon während der Konstruktionsphase Anforderungen und Eigenschaften an das Dichtungsprofil, bzw. den geeigneten Klebstoff oder Verguss gründlich definiert werden müssen. Die Anwendungstechnik ist also die Schnittstelle zwischen Kunde, Anwender und technischem Verkauf. Sie kennt die Anforderungen der jeweiligen Branche an das für den spezifischen Einsatz optimierte Dichtungs-, Kleb- und Vergusssystem. Sie führt die technischen und wirtschaftlichen Machbarkeitsprüfungen durch und erprobt Bauteile unter praxisnahen Serienbedingungen. Nach einer intensiven Analyse erarbeitet die Anwendungstechnik in Abstimmung mit dem Kunden die passende Materialauswahl sowie die bauteilspezifische Dichtungsform und -größe. Im nächsten Schritt werden die Bauteile auf der Dosieranlage im Technologiezentrum bemustert. Erst wenn die optimale Lösung gefunden wurde, wird das Bauteilmuster zur Serienfertigung freigegeben. Je nach Bedarf werden im Beratungs- und Applikationsprozess die Spezialisten aus Forschung und Entwicklung sowie die Prozessspezialisten aus dem Technikum oder aus der Konstruktionsabteilung des Maschinenherstellers hinzugezogen. So wird bei der funktionssicheren Abdichtung, Verklebung oder Versiegelung der Bauteile nichts dem Zufall überlassen.

Lohnschäumen und -vergießen im Miniaturmaßstab
Auch dem Trend der zunehmenden Miniaturisierung von Bauteilen, dem „Downsizing“ von Elektronik-, Telekommunikations- und Medizingeräten, kann heute Rechnung getragen werden. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an die Lebensdauer und Leistungsfähigkeit von Elektronik und damit auch die Anforderungen an das Abdichten und Versiegeln kleinformatiger Bauteile. Für sehr schmale Dichtungen und kleinste Vergussmengen setzt man einen von Sonderhoff Engineering entwickelten Mischkopf ein. Mit ihm können auch Kleinstmengen bis zu einer Untergrenze von 0,1 g/s für geschäumte Dichtungen oder nur 0,05 g/s bei Vergussmassen auf die Bauteile aufgetragen werden. Für die präzise Dosierung von Schaumdichtungen bis zu 0,1 g/s ist in den oft sehr engen Konturverläufen von Kleinstteilen vor allem

die punktgenaue Führung des Dosieranlagenmischkopfs verantwortlich. Dank einer Bahnsteuerung der Mischkopfverfahreinheit von ± 0,1 mm ist es möglich, den Mischkopf immer punkt- und wiederholgenau an die gleiche Stelle des Bauteils zu positionieren. So wird ein konstanter und konturgenauer Dichtungsauftrag auch bei sehr kleinen Dosiermengen gewährleistet.

ESD-konforme Lohnfertigung
Die Anwendungs- und Anforderungsvielfalt in der bzw. für die Lohnfertigung beim Dichtungsschäumen, Kleben und Vergießen erhöht sich weiter, wenn Bauteile hinzukommen, die unter speziellen Fertigungsbedingungen hergestellt und weiterverarbeitet werden müssen, damit vorgeschriebene Industriestandards und eine hohe Qualitätssicherheit eingehalten werden können. Mit der ESD-konformen Lohnfertigung zum Schutz vor unkontrollierten elektrischen Entladungen (Electro Static Discharge) wird sichergestellt, dass elektrostatisch gefährdete Bauelemente nicht beschädigt und Funktionsausfälle vermieden werden. Diese sensiblen Bauteile werden von geschulten Mitarbeitern in einem extra dafür eingerichteten Produktionsbereich unter Beachtung spezieller Handhabungsrichtlinien für die ESD-konforme Fertigung beschäumt, verklebt oder vergossen. Der ESD-Schutz gemäß DIN EN 61340-5-1 für den „Schutz von elektronischen Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene“ wird erfüllt.

Fazit
Für ein großes Anwendungsspektrum von Bauteilen aus Kunststoff oder Metall steht heute die Lohnfertigung (Bild 3) auf der Basis von 2K-Flüssigdicht-, Klebdichtstoffen und Vergussmassen zur Verfügung. Mit den Niederdruck-Misch- und Dosieranlagen können unterschiedliche Viskositäten – von flüssig bis pastös und gelartig – verarbeitet und Bauteile auch mit großer Formfreiheit, einschließlich komplexer, dreidimensionaler Geometrien, abgedichtet, verklebt oder versiegelt werden. Je nach Form und Größe der Bauteile werden unterschiedliche Auftragsverfahren für das Dichtungsschäumen, Verkleben und Vergießen eingesetzt. Aber erst

das genaue Zusammenspiel unterschiedlicher Einstellungsparameter und Zusatzfunktionen der Misch- und Dosiermaschine und die perfekte Abstimmung von Bauteil und Auslegung der Dichtungsapplikation sowie die richtige Materialauswahl ermöglichen einen wirklich sicheren Abdichtungs-, Klebund Versiegelungsprozess von Bauteilen, die in Lohnfertigung hergestellt werden. Die Entscheidung für Lohnfertigung ist damit mehr als eine kostengetriebene Make-or-buy-Entscheidung.

Fakten für Konstrukteure
• Die Anwendungstechnik des Lohnfertigers muss bereits in der Konstruktionsphase miteinbezogen werden

Fakten für Einkäufer
• Reine Kostenbetrachtungen werden der Bewertung der Lohnfertigung selten gerecht

Fakten für Qualitätsmanager
• Auch mit der Lohnfertigung werden z.B. durch die Materialvielfalt oder spezielle Produktionsumgebungen vorgegebene und einzuhaltende Normen verschiedener Branchen erfüllt. Ein Beispiel ist der ESD-Schutz gemäß DIN EN 61340-5-1

Weitere Infos zur Lohnfertigung

Bild 2: Durch umfangreiche Tests können Bauteile während des Prototypings für die spätere Fertigung optimiert werden (Bild: Sonderhoff Holding GmbH)

Bild 2: Durch umfangreiche Tests können Bauteile während des Prototypings für die spätere Fertigung optimiert werden (Bild: Sonderhoff Holding GmbH)

Bild 3: Eine moderne Lohnfertigung deckt heute ein breites Anforderungsspektrum ab (Bild: Sonderhoff Holding GmbH)

Bild 3: Eine moderne Lohnfertigung deckt heute ein breites Anforderungsspektrum ab (Bild: Sonderhoff Holding GmbH)

Lösungspartner

Henkel AG & Co. KGaA | Sonderhoff Technologie

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Qualitätssicherung, Produktion & Fertigung, Unternehmensleitung